Monate: September 2015

IM HAUS DER WISSENSCHAFT

Die Zeitschrift der Straße ist seit heute (30. September) und noch bis Ende Januar 2016 in der Ausstellung „Wissen für die Zukunft“ im Bremer Haus der Wissenschaft vertreten. Die Schaufensterpuppe Heinz-Rüdiger im Outfit eines Straßenverkäufers hält für uns dort die Stellung und bietet BesucherInnen Hefte zum Mitnehmen an – aber nur als Dankeschön für ausgefüllte Fragebögen. Die sind Teil unserer Marktforschungsbemühungen. Die Präsenz der Zeitschrift der Straße in dieser Ausstellung irritiert ein bisschen, und das ist gut so. Alle anderen Exponate zeigen die Leistungsfähigkeit der Hochschulen des Landes Bremen in den Bereichen Technologie und Design. Entsprechend groß war das Stirnrunzeln der anderen Aussteller, als wir Heinz-Rüdiger aufbauten. Aber das Thema der Ausstellung, „Wissen für die Zukunft“, schließt natürlich auch Wissen über Gesellschaft und ihre Veränderung ein. Hierfür sind wir – leider – die einzigen Repräsentanten. Andere Straßenmagazine würden wohl nicht zur Teilnahme an einer Wissenschaftsausstellung eingeladen werden. Aber die Zeitschrift der Straße ist eben auch ein innovatives Lernprojekt wissenschaftlicher Einrichtungen. In diesem Fall ist die Teilnahme durch die Hochschule Bremerhaven ermöglicht worden, wo die Zeitschrift …

VERKÄUFER IM RAMPENLICHT: PANAYIOTIS VON SHEDIA, ATHEN

SHEDIA/Athen: Panayiotis Triantafillidis, 35 Jahre alt, ist ein griechisches Mitglied der Roma, dessen Leben sich verändert hat, indem er die Zeitung Shedia in Athen verkauft hat. In diesem Artikel erklärt er, wie er, erst nachdem er das Lesen gelernt hatte, wirklich verstand, was Shedia war. Jetzt kann er gar nicht mehr aufhören, das Magazin zu lesen, das er selber verkauft und das ihm geholfen hat eine Wohnung zu mieten.   Ich komme aus Istiataia (einer Stadt im Norden der griechischen Insel Evia), ich wurde in Athen geboren und lebte die meiste Zeit in der Gegend von Aspropyrgos. Ich bin ein griechischer „Gypsy“ und das hat mir viele Probleme bereitet im Leben. Mein Vater war ein Marktverkäufer und ich habe ihm bei vielen Arbeiten geholfen. Als er 2008 gestorben ist, brach es uns allen das Herz. Es ist so lange her und ich kann es immer noch nicht glauben. Ich wollte unbedingt von Zuhause weg, aber ich konnte nicht, weil ich mich um meine Mutter kümmern musste. Sie war sehr streng. Sie wollte nicht, dass ich …

#31 WESTERDEICH

EDITORIAL: ALLES IM FLUSS Als unsere Redaktion sich für die kleine Straße Westerdeich links der Weser entschied, waren einige unserer Autoren unsicher: Kann man in einer so beschaulichen Ecke Bremens spannende Geschichten finden? Ein wenig Recherche zeigte: Wie so oft täuschte der erste Eindruck. Allein die Historie dieses Ortes liest sich wie ein Roman. Der Westerdeich war bis in die 1960er-Jahre ein Anziehnungspunkt für Sonnenhungrige und Erholungssuchende aus der ganzen Stadt. Mit einem Sandstrand, der ganze sechs Kilometer lang war, konnte auch der Osterdeich nicht mithalten. Unser historisches Foto gibt einen Eindruck davon, was hier bei gutem Wetter im Sommer los war. Doch die Zeiten änderten sich. Der Sand musste dem Neustädter Hafen weichen, die zahlreichen Kneipen, Wirtschaften und die Badeanstalt wurden vom expandierenden Holzhandel verschluckt. Zurück blieben eine kleine Straße am Deich mit schöner Aussicht auf die Weser – und ihre bunt gemischten Bewohner. Wir trafen Alteingesessene wie den ehemaligen Matrosen Hermann Brandt, den die vorbeiziehenden Schiffe auf eine lukrative Geschäftsidee brachten (S. 20). Einen Wegeobmann im Kleingärtnerverein, der die meiste Zeit seines Lebens …

EIN SCHNACK MIT STEFAN

#31 WESTERDEICH – Über einen Umweg kam er zur Bildhauerei, durch einen guten Freund zur Zeitschrift der Straße   Ich bin in Tenever aufgewachsen, zusammen mit meiner Schwester. Als ich elf Jahre alt war, ist unsere Mutter abgehauen und hat den Kontakt zur Familie abgebrochen. Zwei Jahre später ist dann unser Vater gestorben. Meine Schwester und ich wohnten erst für ein halbes Jahr bei unseren Großeltern, danach ein Jahr bei einer Pflegefamilie. Aber das war nur für den Übergang, bis wir einen Platz im Heim bekamen: in Alten Eichen in Huchting. Dort habe ich mit acht anderen Jugendlichen in einer Wohngruppe gelebt. Nach der Schule habe ich als Lagerist gearbeitet, über eine Zeitarbeitsfirma. Ich hatte immer nur kurze Verträge, die brauchten halt nur neue Leute, wenn dort besonders viel los war. Nach einem Jahr habe ich damit aufgehört. Was ich dann gemacht habe? Ich habe Dinge verkauft, von denen ich lieber die Finger gelassen hätte. War keine gute Idee. Nach einiger Zeit haben sie mich erwischt. Das war’s dann. Im Gefängnis hab ich in der …

SPENDE DEIN PFAND!

HINZ&KUNZT/Hamburg: Aufmucken lohnt sich! Nach unseren Berichten und den Protesten unserer Leser ist Flaschensammeln am Hamburger Flughafen nicht mehr verboten. Noch besser: Ab sofort arbeiten drei Hinz&Künztler dort als professionelle Leergutbeauftragte. Mein Bild von Flaschensammlern hat sich um 180 Grad gewendet“, sagt Mercedes Lazar-Heubel. Die 33-Jährige betreut am Flughafen Hamburg das Projekt „Spende dein Pfand“, bei dem seit September Fluggäste vor dem Abflug ihre ausgetrunkenen Pfandflaschen spenden statt wegwerfen können. Heute ist die Projektleiterin voller Verständnis für die Menschen, die sich meistens unauffällig durch die Terminals bewegen und in den Mülleimern nach Pfandflaschen suchen: „Eigentlich spricht gar nichts dagegen“, sagt sie. „Ich habe gemerkt, dass diese Menschen einfach darauf angewiesen sind.“ Noch vor einem halben Jahr sah sie das ganz anders: „Ich habe mich wirklich gestört gefühlt, wenn ich das gesehen habe“, räumt Lazar-Heubel ein. Sie habe wie so viele das Elend nicht sehen wollen und hätte die schwierige Situation der Flaschensammler nicht verstanden. Damals war am Flughafen das Sammeln auch noch verboten. Das sollte einen „ungestörten Betrieb“ gewährleisten und den Fluggästen einen „angenehmen Aufenthalt“ …