Leseprobe

ANKUNFT UND ABSCHIED

#34 FLUGHAFEN – Viele Flüchtlinge kommen. Einige müssen  wieder gehen – ob sie wollen oder nicht

Es sind Bilder, die kaum jemanden unberührt lassen in diesen Tagen: Menschen, die durchnässt und durchgefroren aus heillos überfüllten Booten klettern, mit kaum etwas im Gepäck als dem nackten Leben. Menschen, die bei Nacht und Nebel an Grenzzäunen entlangstolpern, in der Hoffnung, an einem sicheren Ort ein neues Leben zu beginnen. Menschen, die auch hier in Bremen ankommen, mit großen Ängsten und noch größeren Hoffnungen. 3.611 Asylanträge wurden in diesem Jahr bis Ende September allein in Bremen gestellt, drei Mal so viele wie im gesamten Jahr 2013. Viele der Menschen werden vorläufig bleiben können. Einige jedoch nicht. Sie werden wieder abgeschoben – oder reisen, wie es die Behörden formulieren, „freiwillig“ aus. Diese sogenannten freiwilligen Rückführungen geschehen zum Teil mit erheblichem Druck auf die Geflüchteten. „Verlängerungen von Duldungen werden vermehrt an die Bedingung geknüpft, Bestätigungen über Beratungsgespräche vorzulegen. Ihnen wird immer wieder nahegelegt, dass es besser wäre, das Land zu verlassen“, erklärt Marc Milis vom Flüchtlingsrat.

Seit dem ersten November gilt zudem ein neuer Asylkompromiss von Bund und Ländern. Demnach sollen nun insbesondere Flüchtlinge aus Albanien, Kosovo und Montenegro schneller abgeschoben werden. Viele von ihnen sind Roma. Bislang hatten die Bundesländer hier einen gewissen Ermessensspielraum. Dieser gilt künftig nicht mehr. Wer eine Aufforderung zur „freiwilligen Ausreise“ verstreichen lässt, muss ohne Ankündigung abgeschoben – und nicht wie bisher eine Woche vor der Abreise informiert werden. Die Polizei muss die Menschen nun ohne Vorwarnung abholen, wenn die freiwillige Ausreise verweigert wurde. Für die Flüchtlinge sei dies oft traumatisierend, schilderte Gundula Oerter von der Flüchtlingsinitiative kürzlich der taz.

Noch schiebt Bremen im bundesweiten Vergleich recht wenige Flüchtlinge ab. Tatsächlich wurden 2013 lediglich fünf Personen über den Bremer Flughafen in ihr Heimatland gebracht, 2014 waren es zwei, in diesem Jahr bislang ebenfalls zwei. Die Hansestadt liegt damit im bundesweiten Vergleich auf einem der untersten Ränge – weit hinter Städten wie Frankfurt am Main oder Düsseldorf, die im vergangenen Jahr mehrere Tausend Flüchtlinge von ihren Flughäfen aus abgeschoben haben. „Die geringe Zahl der Abschiebungen ist einer Haltung der Bremer Innenbehörde zuzuschreiben“, sagt Marc Milis.

Die Zahlen trügen jedoch auch ein wenig. Denn das Bundesland Bremen schiebt sowohl über den eigenen als auch über den Hamburger Flughafen ab. Zudem können Menschen auch auf dem Landweg in ihre Herkunftsorte reisen. Informationen dazu, wie viele Menschen über Hamburg ausreisen mussten, will die Sprecherin des Senators für Inneres, Rose Gerdts-Schiffler, „aufgrund des derzeitigen Arbeitsvolumens der Ausländerbehörden“ nicht ermitteln. Die Gründe aber legt sie gern offen: Zum einen gebe es vom Hamburger Flughafen aus Direktflüge, die in Bremen nicht angeboten würden. Außerdem könnten Sicherheitsbegleitungen von der Hamburger Bundespolizei besser organisiert werden. Und zu guter Letzt seien die Kosten niedriger: So sei eine Rückkehr von Begleitkräften noch am selben Tag möglich, während beim gleichen Routing von Bremen aus aufgrund späterer Flugzeiten eine Übernachtung vor Ort mit Hotelkosten notwendig wäre.

Text: Benjamin Eichler und Tanja Krämer
Foto: Caruso Pinguin/flickr.com