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RUNDGÄNGE GEGEN DAS UNWISSEN

Seit Mai bietet die Zeitschrift der Straße eine Tour an, die Bremen aus der Perspektive wohnungsloser Menschen zeigt. Zeit für eine erste Bilanz mit dem Initiator Reinhard ‚Cäsar‘ Spöring

 

Interessieren sich die Leute für soziale Stadtführungen in Bremen?

Reinhard Spöring: Ja! Die Bremer Schulbehörde und das Landesinstitut für Schule haben gerade eine offizielle Empfehlung an alle Bremer Schulen herausgegeben, unsere Stadtrundgänge im Unterricht zu berücksichtigen. Die Hochschule für öffentliche Verwaltung wird die Perspektivwechsel-Führung ab dem Wintersemester auf freiwilliger Basis anbieten. Das niedersächsische Bildungswerk aus Osterholz-Scharmbeck hat bereits eine Tour absolviert, die Hochschule Bremen für den Studiengang „Soziale Arbeit“ zwei Touren im Sommersemester 2018 gebucht. Und auch die Diakonie und der soziale Friedensdienst haben Interesse angemeldet.

Wie viele Perspektivwechsel-Touren habt ihr bisher schon gemacht?

RS: Bislang gab es fünf Touren mit insgesamt rund 100 TeilnehmerInnen, die vorwiegend aus der achten und neunten Klasse kamen.

Wie fällt deine Bilanz aus?

RS: Unsere vorherige Einschätzung, dass genau dieses Angebot in Bremen gefehlt hat, scheint sich zu bestätigen. Darauf deuten auch viele Reaktionen derjenigen Leute hin, mit denen ich vorab gesprochen habe. Sätze wie: „Toll, dass sich die Zeitschrift der Straße jetzt auch um dieses Thema kümmert“ waren da immer wieder zu hören.

Was wollen die TeilnehmerInnen von Euch wissen?

RS: Bei den jungen Leuten ist festzustellen, dass sie sehr häufig gar keine Ahnung von den sozialen Problemen gerade in Bremen haben. Sehr häufig wird gefragt: „Wie wird man obdachlos?“, auch Fragen zu Problemen mit Abhängigkeitserkrankungen und Sucht ganz allgemein werden häufig gestellt. In zwei Klassen wurden zusätzlich Besuche an der Schule organisiert, um das Thema aus der Sicht von Betroffenen zu bearbeiten und mehr darüber zu erfahren. Fragen wie: „Was kann ich tun?“ oder „Was muss geschehen?“ kamen zwar zaghaft – aber sie kamen immerhin.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

RS: Wir schauen erst einmal, wie sich die Zahl der Führungen entwickelt. Zusätzlich wollen wir weitere ehrenamtliche Tour-Guides finden und den Kontakt zu den Schulen weiter ausbauen. Außerdem hoffen wir, spätestens zum Anfang des kommenden Jahres Touren für „jedermann“ anbieten zu können.

Weitere Informationen und Anmeldung unter zeitschrift-der-strasse.de/pw

 

Text: Jan Zier
(Das Interview ist erschienen in Ausgabe #52 NELSON MANDELA PARK im Oktober 2017.)