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VERKÄUFER IM RAMPENLICHT: COLIN, BIG ISSUE

BIG ISSUE NORTH/Nordengland: Seit sechs Jahren verkauft Colin die Straßenzeitung „The Big Issue North“ in Manchester. Er ist ziemlich bekannt, was nicht zuletzt an den regelmäßigen Posts über seinen Alltag liegt, die auf der Facebook-Seite der Straßenzeitung geteilt werden. Mit Christian Lisseman spricht er über einen lokalen Film, bei dem er den Anführer einer Gang gespielt hat, wie er wieder Kontakt mit seinem Vater aufgenommen hat und wie Big Issue North ihm dabei auf geholfen hat, wieder auf die Beine zu kommen.

 

Warum verkaufst du das Magazin?

Ich wurde obdachlos aufgrund von Familienproblemen. Seit dem Teenageralter war ich immer wieder obdachlos. Ich habe in Hostels geschlafen, aber auch auf der Straße. Ich habe 2009 angefangen, Big Issue North zu verkaufen. Zu der Zeit habe ich auf der Straße geschlafen und kam auf die Idee, mir mit dem Verkauf der Zeitung ein bisschen Geld dazu zu verdienen.

Hast du Familie?

Ja, habe ich. Vor einigen Jahren habe ich in einem Hostel der Heilsarmee gelebt. Dort habe ich eine Weihnachtskarte bekommen mit einem Brief darin – aus Birmingham. Die ersten Worte in diesem Brief waren: „Ich schreibe dir, um herauszufinden, ob du mein lange verlorener Sohn bist.“ Es war ein Bild dabei von meinem Vater, den ich seit 23 Jahren nicht gesehen hatte. Ich habe dann eine Weile bei ihm gewohnt und wir sind immer noch in Kontakt.

Wie geht es dir im Moment?

Im Moment ist es nicht so schlecht. Das Magazin zu verkaufen, hilft mir unheimlich. Es hilft mir weiterzumachen, raus zu gehen und Leute zu treffen. Außerdem kann ich so ein bisschen Geld verdienen. Das reicht für Essen und Kleidung. Ich habe mittlerweile auch eine Wohnung, in der ich seit vier Jahren lebe. Es ist einfach super, sein eigenes kleines Heim zu haben. Ich kann machen, was ich will, wann ich will. Ich mach die Tür auf, schließe sie hinter mir und bin in meinem eigenen Reich.

Erzähl uns von den Projekten, bei denen du dabei bist.

Manchmal fragen mich Leute einfach, ob ich bei was mitmachen will. Letztes Jahr zum Beispiel hat mich jemand angesprochen, der ein Buch über Menschen aus Manchester schreibt. Die haben auch ein Foto von mir gemacht und mir Komplimente gemacht, weil ich immer ein Lächeln auf den Lippen habe. Die haben sogar das Team von Cornerhouse interviewt, die mich immer sehr unterstützt haben. Und dann sollte ich letztes Jahr noch in einem Film mitspielen. Der hieß „Der grausamste aller Götter“. Ich habe darin einen Bandenchef gespielt. Als das dann im Mai gezeigt wurde, kamen die Leute auf mich zu und meinten: „Du hast in dem Film richtig böse ausgesehen, wie ein echter Gangster.“ Im wirklichen Leben bin ich überhaupt nicht so!

Was wünscht du dir für die Zukunft?

Ich würde gerne wieder anfangen, zu arbeiten. Früher habe ich in der Küche gearbeitet und im Catering. Ich denke darüber nach, wieder in diesen Bereich zu gehen.

Erzähl uns noch von deinem Verkaufsort.

Mein Platz war lange vor dem ehemaligen Cornerhouse. Das war ein unabhängiges Kino und ein Ort der Kunst in Manchester. Anfang diesen Jahres haben sie dann hier zugemacht und sind umgezogen in ein neues Haus die Straße runter – es heißt „Home“ (Zu Hause). Ich vermisse das alte Cornerhaus. Und ich hatte anfangs tatsächlich Einbußen bei den Verkäufen. Aber mittlerweile habe ich einen neuen Standplatz in der Nähe der neuen Location. Das Team vom Home ist großartig. Als ich angefangen habe, dort zu verkaufen, kamen sie raus und meinten: „Wir sind so froh, dass du Zu Hause bist!“

Text: Christian Lisseman. Foto: Jason Lock. Mit freundlicher Genehmigung des INSP Nachrichtendiensts www.INSP.ngo / Big Issue North, Großbritannien.

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