Monate: Dezember 2015

UNSER RÜCKBLICK AUF 2015

Die Zeitschrift der Straße hat in den letzten zwölf Monaten eine Entwicklung durchlaufen, die wir ihr (und uns selbst) vor einem Jahr nicht zugetraut hätten. Wenn Sie die folgende Aufzählung lesen, dann denken Sie daran, dass die Zeitschrift der Straße praktisch komplett von Ehrenamtlichen, Studierenden, Lehrenden und Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten getragen wird und über keine Angestellten verfügt. Was also ist in den letzten zwölf Monaten geschehen? Neues Vertriebs- und Redaktionsbüro (Dezember 2014): Umzug vom Lloydhof in die Nähe des Bremer Hauptbahnhofs, wo es nun Teil eines größeren „Servicezentrums“ für wohnungslose Menschen ist. Neue Redaktionsleitung (Januar 2015): Tanja Krämer und Philipp Jarke lösen Armin Simon ab, der die Zeitschrift seit ihrer Gründung journalistisch entwickelt und betreut hat und nun nach Süddeutschland umzieht. Neues Design (Januar 2015): Die Zeitschrift erhält ein fotografisches Cover, ein Logo, ein neues Layout mit neuen Schriften und einige neue Rubriken. Das Design ist aus einem Gestaltungswettbewerb hervorgegangen. Höhere Erscheinungsfrequenz (ab Februar 2015): Zehn statt der früheren sechs Ausgaben pro Jahr ermöglichen es unseren StraßenverkäuferInnen, ihren StammkundInnen öfter etwas Neues anzubieten. …

#34 FLUGHAFEN

EDITORIAL: AM ENDE DER LINIE 6 Der Flughafen ist typisch Bremen: Er hat eine lange Tradition und gehört zu den zehn wichtigsten Luftverkehrszentren des Landes. Im Schnitt starten oder landen hier täglich etwa 7.500 Menschen, 25.000 Arbeitsplätze hängen von dem gut zwei Kilometer langen Stück Asphalt auf dem Neuenlander Feld ab. Und trotzdem wirkt der Flughafen bescheiden und fast gemütlich. Bremisch eben. Grund genug für unsere Fotografen und Autoren, sich am südlichen Ende der Straßenbahnlinie 6 umzuschauen. Sie trafen den Vorsitzenden des Bremer Vereins für Luftfahrt (BVL). Der Verein hat den Bremer Flughafen vor über einem Jahrhundert gegründet. Beim BVL ist es eine Frage der Ehre, ohne viel technischen Schnickschnack auf Sicht zu fliegen (S. 8). Für die Bremer ist ihr Flughafen ein Tor zur Welt, über ihn kommt aber auch allerhand illegales Zeug in die Stadt, gut versteckt in Koffern und Kisten. Vieles passiert den Zoll wohl unbemerkt, aber hin und wieder fliegen die Schmuggler auf und ihre Ware landet in der Asservatenkammer. Unsere Fotografen durften einen Blick hineinwerfen und haben schöne Bilder von …

ANKUNFT UND ABSCHIED

#34 FLUGHAFEN – Viele Flüchtlinge kommen. Einige müssen  wieder gehen – ob sie wollen oder nicht Es sind Bilder, die kaum jemanden unberührt lassen in diesen Tagen: Menschen, die durchnässt und durchgefroren aus heillos überfüllten Booten klettern, mit kaum etwas im Gepäck als dem nackten Leben. Menschen, die bei Nacht und Nebel an Grenzzäunen entlangstolpern, in der Hoffnung, an einem sicheren Ort ein neues Leben zu beginnen. Menschen, die auch hier in Bremen ankommen, mit großen Ängsten und noch größeren Hoffnungen. 3.611 Asylanträge wurden in diesem Jahr bis Ende September allein in Bremen gestellt, drei Mal so viele wie im gesamten Jahr 2013. Viele der Menschen werden vorläufig bleiben können. Einige jedoch nicht. Sie werden wieder abgeschoben – oder reisen, wie es die Behörden formulieren, „freiwillig“ aus. Diese sogenannten freiwilligen Rückführungen geschehen zum Teil mit erheblichem Druck auf die Geflüchteten. „Verlängerungen von Duldungen werden vermehrt an die Bedingung geknüpft, Bestätigungen über Beratungsgespräche vorzulegen. Ihnen wird immer wieder nahegelegt, dass es besser wäre, das Land zu verlassen“, erklärt Marc Milis vom Flüchtlingsrat. Seit dem ersten November …

WEIHNACHTSWÜNSCHE VON OBDACHLOSEN

Das Team des Hamburger Sozialprojekts Straßenblues hat obdachlose Menschen nach ihren Weihnachtswünschen befragt und das Video daraus gemacht. Die geäußerten Wünsche sind bescheiden: eine neue Jacke (Benjamin, 39), eine große Reisetasche „für das ganze Gerümpel“ (Raffi, 35), Jacke und Schuhe (Zafir, 35), ein großer Rucksack und eine Isomatte (Maribo, 66) und eine Wolldecke für den Hund (Rolf, 70). Mit dem Video sollen Schenkerinnen und Schenker gefunden werden, die diese Wünsche erfüllen möchten. Eine schöne Idee, die wir auch in Bremen verfolgen sollten.     Das Video erfüllt aber noch einen weiteren und vielleicht wichtigeren Zweck. Es zeigt obdachlose Menschen aus einer Nähe, die für Passanten auf der Straße kaum erreichbar ist. Als Betrachter fragt man sich unwillkürlich, wieso diese Menschen wohl auf der Straße gelandet sein mögen und wie sie unter solchen Umständen leben können. Das Video weckt Mitgefühl für Menschen auf der Straße und Interesse an ihnen. Damit ist viel gewonnen, denn Mitgefühl und Interesse sind gute Voraussetzungen für Hilfsbereitschaft und Solidarität. Auch unsere Bremer Zeitschrift der Straße verfolgt als Lernprojekt für Studierende dieses …

WIR GRÜNDEN EINE UNI!

Leben und Überleben sind nicht das gleiche. Menschen in Kriegsgebieten überleben einen Bombenangriff. Menschen auf der Flucht überleben die Fahrt im Schlauchboot über das Mittelmeer. Menschen ohne Wohnung überleben eine eiskalte Nacht auf der Straße. Man könnte ergänzen „gerade so“, „mit viel Glück“ oder auch „nicht“. Überleben ist Leben am Abgrund. An einem Abgrund leben auch Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Ihren Abgrund bilden z.B. Einsamkeit, Unerwünschtsein und Machtlosigkeit. Sie überleben, aber zu einem menschenwürdigen Leben fehlt ihnen der Zugang zu Gemeinschaft, Kultur und Bildung. Die formalen, finanziellen und gesellschaftlichen Barrieren sind für sie unüberwindlich. Dabei sind es Menschen am Rand der Gesellschaft, die in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Selbstbestimmung am meisten von geweckter Neugier, Horizonterweiterung, positiven Lernerfahrungen und Gemeinschaftserlebnissen profitieren können. Deshalb werden wir 2016 aus der Zeitschrift der Straße heraus ein Bildungsprogramm für Menschen besonderen sozialen Schwierigkeiten starten: die Uni der Straße! Im Semesterrhythmus wollen wir mit Unterstützung von Fachleuten lebensnah und spielerisch Einführungen in unterschiedliche Wissensgebiete und Kulturbereiche anbieten, Workshops und Exkursionen durchführen, Begegnungen ermöglichen und Fortschritte feiern. Wir möchten den Teilnehmenden helfen, …

STRASSENVERKÄUFER TRIFFT PAPST

STRAATNIEUWS/Utrecht: Papst Franziskus gibt ehemals obdachlosem Straßenverkäufer Marc in Rom ein exklusives Interview   Es ist noch früh, als wir vor dem Dienstboteneingang des Vatikans links vom Petersdom eintreffen. Die Schweizergarde war über unsere Ankunft in Kenntnis gesetzt worden und lässt uns durch. Wir steuern auf das Domus Sanctae Marthae zu, in dem Papst Franziskus wohnt. Das Domus Sanctae Marthae ist aller Wahrscheinlichkeit nach das außergewöhnlichste Drei-Sterne-Hotel der Welt. Das große, weiße Gebäude, in dem Kardinäle und Bischöfe residieren, während sie im Vatikan ihren Dienst leisten oder ihn besuchen, ist auch die offizielle Residenz der Kardinäle während des Konklaves. Hier werden wir ebenfalls erwartet. Wie in jedem anderen Hotel stehen hinter der Rezeption zwei Damen, die uns auf eine Nebentür verweisen. Der Versammlungsraum ist schon vorbereitet. Dieser Raum, der dem Papst unter der Woche als Konferenzraum dient, ist ziemlich groß und mit Schreibtisch, Sofa, Tischen und Stühlen ausgestattet. Dann beginnt das Warten. Marc, der Straatnieuws-Verkäufer, hat von uns allen die meiste Geduld, und wartet in seinem Stuhl sitzend darauf, was als Nächstes kommt. Plötzlich erscheint …