Leben und Überleben sind nicht das gleiche. Menschen in Kriegsgebieten überleben einen Bombenangriff. Menschen auf der Flucht überleben die Fahrt im Schlauchboot über das Mittelmeer. Menschen ohne Wohnung überleben eine eiskalte Nacht auf der Straße. Man könnte ergänzen „gerade so“, „mit viel Glück“ oder auch „nicht“. Überleben ist Leben am Abgrund.
An einem Abgrund leben auch Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Ihren Abgrund bilden z.B. Einsamkeit, Unerwünschtsein und Machtlosigkeit. Sie überleben, aber zu einem menschenwürdigen Leben fehlt ihnen der Zugang zu Gemeinschaft, Kultur und Bildung. Die formalen, finanziellen und gesellschaftlichen Barrieren sind für sie unüberwindlich.
Dabei sind es Menschen am Rand der Gesellschaft, die in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Selbstbestimmung am meisten von geweckter Neugier, Horizonterweiterung, positiven Lernerfahrungen und Gemeinschaftserlebnissen profitieren können. Deshalb werden wir 2016 aus der Zeitschrift der Straße heraus ein Bildungsprogramm für Menschen besonderen sozialen Schwierigkeiten starten: die Uni der Straße!
Im Semesterrhythmus wollen wir mit Unterstützung von Fachleuten lebensnah und spielerisch Einführungen in unterschiedliche Wissensgebiete und Kulturbereiche anbieten, Workshops und Exkursionen durchführen, Begegnungen ermöglichen und Fortschritte feiern. Wir möchten den Teilnehmenden helfen, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und neue Lebensperspektiven für sich zu entwickeln, um ihre Lebenslage zu stabilisieren.
Die Uni der Straße wird für die Teilnehmenden kostenlos sein. Aktion Mensch übernimmt die Grundfinanzierung über die ersten drei Jahre. Weitere Mittel müssen wir einwerben. Unterstützung kommt auch von studentischen Teams der Hochschule Bremerhaven und der Universität Bremen.
Text: Michael Vogel
Hintergrundfoto: Alexander Ess/flickr.com