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DER WEG WAR DAS ZIEL

#29 SILBERPRÄGE: Wo einst John­ny Cash und Nir­va­na auf­tra­ten, tref­fen sich heute Hun­der­te Kohl­fah­rer. Ein Ab­ste­cher zum Ala­din

 

WegZiel

Das Ala­din also, einst Gast­stät­te und Kino, heute ein Ort zwi­schen Kon­zert­hal­le und Fest­zelt, das sich einen Namen mit Par­tys wie „Titty Twis­ter“, „End­lich Frei­tag“ oder „Hüt­ten­gau­di“ ge­macht hat. Ich satt­le die Hüh­ner und mache mich auf den Weg, in der Hand ein Ge­bräu, des­sen Auf­schrift heute meine De­sti­na­ti­on sein soll.

Es ist 3:13 Uhr in der Nacht, als ich von wei­tem den leuch­ten­den Schrift­zug über dem Ein­gang pran­gern sehe. Heute stand die Ro­ckin’ Kohl­fahrt auf dem Plan. Dem Ge­tüm­mel drau­ßen nach zu ur­tei­len ist es ein ge­lun­ge­ner Abend ge­we­sen. Drin­nen wer­den ge­ra­de die Stüh­le hoch­ge­stellt, grobe Un­rein­hei­ten be­sei­tigt und die The­ken ge­wischt. Vor dem Ge­bäu­de er­schöpf­te Kohl­freun­de, die sich nach und nach auf die Taxen ver­teilt.

Doch nicht alle wol­len schon gehen; Thors­ten und Ulli leh­nen läs­sig am Ge­bäu­de und un­ter­hal­ten sich. Ich nä­he­re mich ihnen mit einer Zi­ga­ret­te im An­schlag. „Duu willst Feuer haben!“, sagt Thors­ten. Ich zünde mir meine Zi­ga­ret­te an, wäh­rend Thors­ten mich fragt, ob ich In­ter­es­se an einer Fla­sche Koks hätte. „Das machd ihr aber under euch aus“, meint Ulli, der sich in die­sen Han­del lie­ber nicht ein­mi­schen möch­te. „Jaaa, ich weiß, du willsd, warte nur kurz, ich ruf ma ebm je­mand an.“ Noch bevor ich Ulli von sei­nem Vor­ha­ben ab­hal­ten kann, kommt Jo­chen von hin­ten an­ge­stürmt und um­armt seine bei­den Par­ty­kol­le­gen: „Will denn jetzt keina hiä Kon­do­me kaufn?!“ Of­fen­bar ein Ort des regen Han­dels, an den ich hier ge­ra­ten bin.

Jo­chen hat heute Ge­burts­tag, er­zählt er mir. Auf die Frage, ob er denn heute auch flei­ßig Kohl ge­ges­sen habe, ent­geg­net er mir: „Ich ess kein Schwei­ne­fleisch“, stratzt von dan­nen und ver­sucht per An­hal­ter einen Bus zum Ste­hen zu brin­gen. Ver­ge­bens. Ver­är­gert macht er sich auf den Weg zur nächs­ten La­ter­ne, um ihr or­dent­lich die Mei­nung zu gei­gen. Er tritt meh­re­re Male gegen den Pfahl und gibt dabei jo­del­ähn­li­che Töne von sich. Nach ei­ni­gen Se­kun­den be­sinnt er sich, um­armt den Pfahl und steigt in ein Taxi.

Thors­ten und Ulli un­ter­hal­ten sich der­weil über Nel­son Val­dez, einen Stür­mer von Ein­tracht Frank­furt, der mal bei Wer­der Bremen spiel­te, wie Ulli sich er­in­nert. Von innen singt mich eine über­gro­ße John­ny-Cash-Wand­ma­le­rei an, mein Bier ist auch bald leer, genau wie Heme­lin­gen.

Text: Felix Müller
Foto: Annika Drichel