Leseprobe

HERR FAN HATTE EINEN PLAN

#38 HORNER KIRCHE – Er kam aus China, machte in Bremen seinen Doktor und träumte von einer Karriere in der Chemieindustrie. Heute verkauft er asiatische Lebensmittel in Horn

 

Ping Fan (Foto) sitzt auf einer kleinen Bank an der Tür und wartet. Er beugt sich vor zu seinem Laptop, der der neben ihm auf einem Hocker steht, und tippt etwas hinein. Und wartet weiter. Ein älterer Herr betritt den Laden, geht an Fan vorbei und steuert auf einen Raum zu, indem dutzende Säcke Reis in den verschiedensten Größen liegen. Er nimmt einen und geht damit zur Kasse. Er hat einen Jutebeutel dabei und versucht, den Reissack hinein zu stecken. „Das sieht ganz schön klein aus“, sagt Fan zu seinem Kunden. „Meine Frau meinte, das passt.“ – „Na, dann wird das wohl stimmen, Frauen haben ja immer Recht“, antwortet Fan. Die Männer lachen, als der Reis schließlich tatsächlich in den Beutel passt. Seine Kunden zu beraten und mit ihnen zu scherzen, das ist für Fan das Schönste an seiner Arbeit.

Im Sommer vor bald drei Jahren hat Fan den Laden von seinen beiden Tanten übernommen, als sie in Rente gingen. „Asia Shopping Bremen – Dong Fan“ ist ein Lebensmittelladen, in dem es alles gibt, was zur asiatischen Küche gehört. Auf 200 Quadratmetern, in Regalen, Tiefkühltruhen und Kühlschränken, finden sich Tees, getrocknete Früchte, Bier aus Shanghai, Schmuck, Tintenfisch speziell für Sushi, Enteneier, Soßen, Nudeln und jede Menge Reis. 2004 eröffneten Fans Tanten den Laden in Horn, weil hier im Studentenheim so viele asiatische Studenten lebten. Doch es kommen schon lange nicht mehr nur Studenten, erzählt Fan. Er habe viele Stammkunden und momentan kämen immer mehr neue Kunden dazu.

Zwei kleine Jungen rennen in den Laden und direkt weiter zum Regal mit den Instantnudeln. Jeder nimmt sich eine kleine Packung und dann gehen sie schnell zur Kasse. Sie legen ihr Geld passend auf den Tisch, schon sind sie in der Straßenbahn verschwunden, die direkt vorm Laden hält. Fan hatte nie den Plan, den Laden zu übernehmen. Vor zwölf Jahren kam er aus ganz anderen Gründen nach Deutschland. Fan wuchs in einer Kleinstadt im Nordwesten Chinas auf. Zum Studieren zog er 1996 nach Hunan in den Süden Chinas. Hier machte er seinen Bachelor als Chemieingenieur und arbeitete vier Jahre in diesem Beruf. „Aber ich hatte noch nicht genug Kenntnisse in Chemie“, sagt Fan, daher entschloss er sich, erneut zu studieren. Aber nicht China. „Deutschland ist sehr gut in meinem Fachgebiet und ich fand das Land schon immer toll“, erklärt Fan. Und weil ein Teil seiner Familie bereits in Bremen lebte, schrieb er sich an der Uni Bremen ein, um seinen Master als Chemieingenieur zu machen.

Obwohl er in China einen Abendkurs besucht hatte, fiel es ihm anfangs schwer, Deutsch zu lernen. Das ging seiner heutigen Frau Ying Xin genauso. Sie kommt auch aus China, die beiden lernten sich während ihres Chemiestudiums in Bremen kennen. Mittlerweile haben sie eine zweijährige Tochter und im Herbst erwarten sie ihr zweites Kind.

Nach seinem Masterstudium promovierte Fan in analytischer Chemie. Einen Job als Chemieingenieur fand Dr. Fan aber nie. Anders als seine Frau. „Ich habe zwölf Jahre studiert und trotzdem keinen vernünftigen Job gefunden. Das finde ich schon sehr schade“, sagt Fan, der dieses Jahr 39 Jahre alt wird. Das läge auch daran, dass im Norden Deutschlands weniger Chemiker gesucht würden als im Süden.

Einfach wegzuziehen kommt für ihn aber nicht in Frage: „Ich liebe Bremen! Meine Frau hat einen guten Job und meine Tochter viele Freunde im Kindergarten. Wegzuziehen wäre viel zu umständlich. Ein Job in meinem Fachgebiet wäre natürlich besser … Aber auch mehr Stress. Es gibt immer Vorteile und Nachteile.“

Montags bis samstags ist Fan ab neun Uhr morgens im Laden und bestückt die Regale, bevor die Kunden kommen. Unter der Woche hat er bis sechs geöffnet, samstags bis vier. Mittags macht er sich meist eine Instantsuppe warm, mehr Zeit bleibt nicht. Selbst sonntags ist er im Laden und schreibt Bestelllisten für die Großhändler. So sehen seine Tage aus. Erst nach kurzem Zögern sagt Fan, er sei zufrieden.

Ob er alles noch einmal so machen würde in seinem Leben? „Ich kann nicht mehr zurückgehen. Aber wenn, würde ich mehr Praktika bei Firmen machen, um leichter einen Job zu finden. Vielleicht würde ich auch etwas ganz anderes studieren. Aber nach Deutschland auswandern, das würde ich wieder genauso machen.“

Text: Sophie Sommer
Bild: Norbert Schmacke