Meldung

KÄLTE, HILFE, WOHNUNGSLOSE, FLÜCHTLINGE

Am 5. Januar posteten wir auf Facebook und Twitter einen Aufruf, besonders in der kalten Jahreszeit mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, auf ausgekühlte Menschen und Draußenschläfer zu achten und ihnen ggf. Hilfe zu leisten.

Der Aufruf, den wir eigentlich schon im November letztes Jahr verfasst und auf unserer Website veröffentlicht hatten, wurde innerhalb von zwei Tagen über 5000 Mal aufgerufen. Für unsere Verhältnisse ist das eine hohe Zahl, die wohl dadurch zustande kam, dass wir dem Aufruf den Bericht über eine erfrorene obdachlose Frau in Düsseldorf beigefügt hatten (siehe Foto oben).

In der Folge erreichten uns einige Nachfragen und Kommentare zu dem Aufruf. Sinngemäß ging es darum, warum im reichen Deutschland eigentlich noch immer Menschen auf der Straße leben (müssen) und ob der Staat da nicht genug tue, weil er zu sehr mit Flüchtlingen beschäftigt sei.

Zur Frage, warum Menschen auf der Straße leben, ist im Magazin ‚brand eins‘ im Jahr 2012 ein Artikel erschienen, der einige der Gründe darlegt und vor allem deutlich macht, warum Wohnungslosigkeit nur  unzureichend mit fehlendem Wohnraum zu erklären ist. In erster Linie ist Wohnungslosigkeit das Ergebnis einer Kombination aus Lebensumständen und persönlicher Verfassung. Die Bereitstellung von günstigem Wohnraum hilft, keine Frage. Jedoch ist darüber hinaus viel Veränderung im Leben der Betroffenen nötig. Der Staat bzw. Wohlfahrseinrichtungen und ihre Sozialarbeiter können den langwierigen Veränderungsprozess unterstützen, aber ohne die Einsicht, den Willen und die aktive Mitarbeit der Betroffenen geht nichts.

Die zweite Frage, die mal mehr und mal weniger agressiv an uns gerichtet wurde, ist leichter zu beantworten. Einen negativen Zusammenhang zwischen Wohnungslosenhilfe und Flüchtlingshilfe sehen wir überhaupt nicht. In Bremen haben sich die Angebote der Wohnungslosenhilfe in den letzten Jahren tendenziell verbessert und dürften von der Flüchtlingshife sogar profitieren.

Denn im Rahmen der Flüchtlingsarbeit ist Infrastruktur entstanden, die sich auch für die Arbeit mit Wohnungslosen eignet. Durch einen gemeinsamen Bereich in der Verwaltung des Vereins für Innere Mission konnten Durchschnittskosten gesenkt werden. Und  einige der vielen Bremerinnen und Bremer, die sich zunächst in der Flüchtlingshilfe engagiert hatten, sind inzwischen in der Wohnungslosenhilfe und bei der Zeitschrift der Straße im Einsatz, was uns sehr freut.

PS: Hier ein kurzes Video des WDR zu den Möglichkeiten, Obdachlosen auf der Straße zu helfen:

335.000 wohnungslose Menschen – so viele gab es in den letzten Jahren noch nie. Im Jahr 2018 könnten es schon 536.000 sein. Wie geht man mit ihnen im kalten Winter um? Wir haben mit Experten gesprochen.

Gepostet von Aktuelle Stunde am Montag, 5. Dezember 2016

 

Text: Michael Vogel