#37 OSTERFEUERBERG – Osterfeuerberg hat sich gewandelt. Doch nicht jede Veränderung gefällt den Bewohnern des Viertels
Eine Insel ohne Berge, ohne Strand
und ohne Meer,
mit viel Tunnels, vielen Straßen
und dem Eisenbahnverkehr …
So könnte es klingen, das Liebeslied der Bewohnerinnen und Bewohner Osterfeuerbergs über ihr Lummerland. Das urbane Meeresrauschen kommt vom Autobahnzubringer Überseestadt und den Eisenbahngleisen nach Hamburg, Bremerhaven, Bremen-Nord. Jede Nacht bringt der Güterverkehr die Brandung in die Schlafzimmer der Menschen hier.
Für Nicht-Waller ist Osterfeuerberg noch immer der Underdog des Angesagtseins. Auch für viele Bremer Zugezogene hat sich der Charme des einstigen Nachtjackenviertels noch nicht erschlossen. Für sie schreibt das Stadtteilmagazin „Echt Walle“. Gleich in der ersten Ausgabe ist von „steigender Attraktivität für Familien“ die Rede. Beispiele hierfür: Das Kulturhaus Brodelpott, die Ganztagsschule am Pulverberg, die Kita Löwenzahn und darüber hinaus die Eröffnung der „Freien Brau Union Bremen“. Auch Jörg Tapking, Waller LINKEN-Fraktionssprecher, sieht besonders in der Brauerei und neueren, exklusiven Eigenheimen eine Aufwertung des Quartiers, die sich langfristig auswirken wird.
Ähnlich empfinden es auch die Engagierten der Osterfeuerberger Zukunftswerkstatt. Die hat sich aktiv an der Gestaltung der Brauerei beteiligt. Den Initiatoren liegt ihr Viertel am Herzen. Jupp Heseding von Bündnis 90/Die Grünen, einer der gut fünftausend Einwohner Osterfeuerbergs, setzt sich sich seit der Geburtsstunde der Zukunftswerkstatt 2007 für seine kleine Insel ein. Er schätzt vor allem die Nachbarschaft: „Hier kann ich mein Haus auch in gemütlicher Kleidung verlassen. Und wenn ich nachts meinen Nachbarn im Morgenmantel treffe, dann stört das keinen.“
Erfolgreich bringt die Zukunftswerkstatt Anträge vor den Stadteilbeirat: Nach ersten Versuchen von 2007 wird nun, fast zehn Jahre später, der Osterfeuerberger Ring zurückgebaut. Die Straße, die jetzt noch an eine Autobahn erinnert und den Stadtteil entzweit, wird auf eine Spur für jede Richtung verkleinert. Die nun breiter werdenden Ränder werden mit Bäumen geschmückt und begrünt. Darüber hinaus sei der größte Erfolg der Zukunftswerkstatt die Bürgerbeteiligung im Ortsteil: Bis zu 150 Anwohnerinnen und Anwohner haben sich bereits auf nur einer Veranstaltung versammelt.
Doch ein Teil dieser Nachbarschaft ist jetzt bedroht. Wie der Weser-Kurier berichtete, möchte Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen, Vonovia, die ehemals stadteigene Obdachlosenunterkunft in der Holsteiner Straße abreißen und an ihrer Stelle moderne Wohnungen bauen.
Jupp Heseding sagt dazu: „Um das Wohl der Bewohner geht es denen ganz bestimmt nicht.“ Ursprünglich seien viele über das Sozialamt an ihre Wohnungen gekommen, hätten im Lauf der Zeit aber herkömmliche Mietverträge erhalten.
Auch das Ortsamt West ist über die Pläne Vonovias nicht begeistert. Jörg Tapking befürchtet jedoch, dass das Wohnungsunternehmen auf derlei Skepsis keine Rücksicht nimmt. Wohin die Menschen können, wenn es so weit ist, weiß noch niemand. Vielleicht nimmt sich die Osterfeuerberger Zukunftswerkstatt dieser Sache an.
Eine Insel ohne Berge, ohne Strand
und ohne Meer,
mit viel Tunnels, vielen Straßen
und dem Eisenbahnverkehr …
Text: Anne Tabeling
Foto: Blutgretchen/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)