Jahr: 2016

WIR SIND 5 JAHRE!

Die Zeitschrift der Straße feiert Jubiläum. Nicht alles lief wie geplant. Aber vieles besser als erwartet. Wir sind eben ein Lernprojekt – heute wie damals   Am 2. Februar 2011 lag sie endlich vor uns: Die erste Ausgabe der Zeitschrift der Straße. Zwei Jahre Arbeit, bisweilen ungewöhnliche Kooperationen, viel Zeit und auch einige Nerven hatte sie uns gekostet. Das Foto oben zeigt den Verkaufsstart mit Bertold Reetz (links) und den VerkäuferInnen Kati und Kai (†2015). Kaum einer von uns hätte gedacht, wohin sie uns führen würde: Knapp 300.000 Hefte haben unsere Straßenverkäuferinnen und -verkäufer bislang an Mann und Frau gebracht, Tausende Bremerinnen und Bremer kaufen regelmäßig bei ihnen. Viele Leserinnen und Leser sammeln die Ausgaben als journalistischen Stadtplan. Die gedruckten Auflagen zahlreicher Ausgaben sind ausverkauft. Die Versuchung ist groß, die Geschichte der Zeitschrift der Straße als souveräne Erfolgsstory zu erzählen und dabei alle Irrungen und Beinahe-Pleiten der letzten Jahre unter den Tisch fallen zu lassen. Doch das wäre nur die halbe Wahrheit. Bremens Straßenmagazin ist nicht nur ein Sozialprojekt, sondern auch ein Lernprojekt für Studierende …

MACH ES SELBST

#35 AM SCHWARZEN MEER – Wie jemand durch ein Tauschgeschäft zum Tätowierer wurde   Die Nadel sticht einige Millimeter in die Haut. Ein Sirren erfüllt den Raum, das beim Einstechen dumpfer wird. In der Luft ein medizinischer Geruch von Desinfektionsmitteln. Ein Mann liegt auf dem Bauch, von der Mitte seines Rückens bis zwischen die Schulterblätter entsteht ein Rosenkohl, gestochen von Philip Spence. Eigentlich wollte der Mann eine Palme, doch auf einem Spaziergang im Schrebergarten hat er entdeckt, dass eine Rosenkohlpflanze ganz ähnlich aussieht. Die Entscheidung war klar: Der Kohl ist weniger banal. So einzigartig die Menschen sind, so individuell ist oft die Auswahl der Motive, mit denen sie sich profilieren (siehe Foto). Spence, 28, ist professioneller Tätowierer, er trägt Vollbart und gern bunte Socken. Er arbeitet mit Andrea Hood im Tätowierstudio Tiny Town Am Schwarzen Meer, in das er vor Kurzem als Partner eingestiegen ist. Man sieht es nicht sofort, aber die Tattoos auf Spence‘ Haut sind fast alle selbst gemacht. Von Freunden. Und einige, da, wo es ging, auch von ihm selbst. Auf der …

#35 AM SCHWARZEN MEER

EDITORIAL: TROTZIGE RANDLAGE Am Schwarzen Meer, das klingt nach Urlaub, nach Sonne, nach der angenehmen Schläfrigkeit, die Wärme und Wellenrauschen verursachen. Das Bremer Schwarze Meer hingegen erzeugt wenig von dieser Stimmung. Stattdessen fühlt man sich zurückversetzt in das Ostertorsteinviertel der Neunzigerjahre. Graffitis und Tags, wohin man schaut, herrenlose Sitzmöbel am Straßenrand, mit Parolen beschriftete Betttücher in den Fenstern, zwei bekannte Tattoostudios an einer Straße von gerade einmal 630 Metern – und dazwischen schmale Altbremer Familienhäuser und kleine Geschäfte, die schon seit Jahrzehnten hier ihre Kundschaft finden. Die Gentrifizierung, so scheint es, hat Am Schwarzen Meer noch keine Ankerpunkte gefunden. Die Bewohner, die unsere Autoren für diese Ausgabe interviewten, sind auf eine trotzige Weise stolz darauf. Die Ateliergemeinschaft Krake etwa, die nicht nur Energieversorger mit Werbematerial ausstattet, sondern auch Punkbands betreut (S. 22). Oder das Ehepaar Lösche-Hartlage, das aus der Sammelleidenschaft des einen das Geschäftsmodell der anderen formte (S. 24). Stolz auf seine Arbeit ist auch Markus Becker. Er arbeitet als Präparator im Zentrum für Pathologie. Warum er das macht und ob seine Arbeit den Genuss …