Ein Gespräch mit Petra Kettler, der neuen Vertriebskoordinatorin der Zeitschrift der Straße
Wie sahen deine ersten Tage als Vertriebskoordinatorin aus?
Ich habe vor allem viel mit den ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen gesprochen. Wir haben Verbesserungsvorschläge gesammelt und Dinge angesprochen, die bei der Arbeit stören. Da konnte ich einiges herauslocken, das sie von sich aus vielleicht nicht gesagt hätten.
Zum Beispiel?
Das Büro war manchmal etwas schmuddelig. Das Reinigungsunternehmen ist nur für die Fußböden und Toiletten zuständig. Alles andere müssen wir aber selbst sauber halten. Wenn man das weiß, wischt man den Kaffeefleck eben schnell mal weg. Das ist ja nicht weiter schlimm.
Wie erlebst du die Stimmung im Vertriebsteam?
Alle stehen voll hinter dem Projekt! Es ist ja kein gewöhnliches Ehrenamt: Man hat Kontakt mit Menschen, mit denen man sonst eher wenig zu tun hat. Wir schnacken viel mit unseren Verkäufern, sofern die Sprache das zulässt, und erfahren viel aus ihrem Leben. Das ist oft berührend.
Was gehst du als nächstes an?
Im Büro bin ich dabei, die Dinge ein wenig zu ordnen – Strukturen zu schaffen ist nämlich mein Steckenpferd. Bislang hat jeder im Team die Sachen woanders abgelegt. Dadurch war es manchmal schwer, Listen oder Informationsblätter schnell wiederzufinden. Das wird jetzt etwas systematischer. Dann werde ich schon bald auf die Straße gehen zu unseren Verkäufern und Probleme ansprechen und versuchen, Konflikte zu entschärfen, wenn es welche gibt.
Gibt es derzeit konkrete Probleme?
Wir hören von ein bisschen Wildwuchs, einige sollen die Zeitschrift der Straße ohne Ausweis verkaufen. Diejenigen werde ich ansprechen und ihnen etwas strenger sagen: So geht es nicht! Ob wir es dadurch in den Griff kriegen, muss man sehen.
Wie bist du zur Zeitschrift der Straße gekommen?
Als ich 2016 erfuhr, dass ehrenamtliche Helfer für das Vertriebsteam gesucht wurden, habe ich hier angefangen und ein, zwei Tage pro Woche die Zeitschriften an die Verkäufer ausgegeben, mit ihnen geklönt und so weiter. Das macht mir viel Spaß, und als dann die bezahlte Stelle ausgeschrieben wurde, habe ich mich beworben.
Und die Jahre davor?
Tja, wo soll ich anfangen? Die letzten drei Jahre habe ich nicht gearbeitet, davor war ich fünf Jahre lang Koordinatorin in der Behindertenhilfe des Martinsclubs. Davor wiederum habe ich etwas ganz anderes gemacht: Ich war 17 Jahre lang bei einer Bank beschäftigt. Und gelernt habe ich nach der Schule Zahnarzthelferin – so kommt man zur Zeitschrift der Straße! Zwischen meinen beruflichen Stationen habe ich mich viele Jahre ganz der Familie gewidmet. Länger als ursprünglich geplant, denn unser Sohn ist im Alter von vier Jahren schwer erkrankt. Ich habe ihn dann 17 Jahre lang gepflegt, vor drei Jahren ist er gestorben. Nach einer Auszeit habe ich mir gesagt: Jetzt orientiere ich mich noch einmal neu – und habe die Zeitschrift der Straße gefunden. Das ist genau das, was ich machen möchte!
Fragen: Philipp Jarke
Foto: privat