Leseprobe

VIEL MEHR ALS NUR TEE

#58 FEDELHÖREN – In einer neuen Serie stellen wir Einrichtungen vor, die unser sozialer Stadtrundgang „Perspektivwechsel“ besucht. Heute: das Haus Fedelhören.

 

Unscheinbar wirkt der Eingang der Teestube, zwischen all den großen, stattlichen Häusern im Fedelhören, grau und niedrig. Es ist ein Ort, an dem eilige PassantInnen schnell vorbeihasten. Aber die gehören ja auch nicht zum typischen Klientel der Teestube. Gegründet wurde sie einst für ehemalige Strafgefangene – auch als tagesstrukturierende Maßnahme –, inzwischen kommen aber auch Hartz-IV-EmpfängerInnen und RentnerInnen, die wenig Geld haben. Sie kommen zum Essen, zum Reden, zum Schachspielen oder um die Lokalzeitung zu lesen.

Seit einiger Zeit dürfen allerdings nur noch nachweislich bedürftige Personen hier essen: „Wir beschäftigen auch Ein-Euro-Jobber, und die dürfen nur für Bedürftige arbeiten“, sagt Hermann Smidt, der Leiter der Teestube. „Das hat auch was mit Wettbewerbsverzerrung zu tun, weil wir das Essen ja viel billiger herstellen können.“ Gleich nebenan ist „Das schwarze Schaf“, ein kleines Restaurant mit mediterraner Küche. „Das wir dem Konkurrenz machen, glaube ich aber nicht“, sagt Smidt, und lächelt. Ein Mittagessen in der Teestube kostet in der Regel 2,80 Euro, Frühstück und Abendessen sind etwas billiger.

Heute gibt es Schweineschnitzel. Um den BesucherInnen entgegenzukommen, die zum Teil nicht nur zu wenig Geld, sondern auch Probleme mit dessen Einteilung haben, kann man ein Guthaben anlegen – oder bis sechs Euro Kredit aufnehmen. Öffnet man gegen Mittag die Tür der Teestube, kommt einem Stimmengewirr entgegen, ein heimeliger Essensgeruch zieht durch die niedrigen Räume. Ein kleiner Flur führt zur Essensausgabe und zu einem zweiten, größeren Zimmer. Von dort aus gelangt man zu einem großen Außenbereich mit Gartenhäuschen, Pflanzen und mehreren Tischen unter Pavillons.

Unter einem dieser Pavillons sitzt Lenny, ein regelmäßiger Gast der Teestube. Er kommt schon seit 20 Jahren, sagt er, und lebt heute in einer eigenen kleinen Wohnung im Viertel. Er kenne aber auch Leute, die sich mehrmals in der Woche aus Gröpelingen oder der Vahr auf den Weg in den Fedelhören machen. „Das Mittagessen in der Teestube ist für viele der Tageshöhepunkt“, sagt er. Lenny sieht die neue Regelung, bei der jeder seine Bedürftigkeit nachweisen muss, kritisch – weil nicht nur diejenigen mit „zu viel“ Geld aussortiert würden, sondern auch jene, die sich aus verschiedenen Gründen nicht um die Formulare für einen solchen Antrag kümmern könnten oder wollten. Smidt bestätigt, dass Behördengänge zu den schwierigsten Aufgaben in der Zeit nach der Haft gehören. Die Teestube ist deswegen nicht nur für gutes Essen da, sondern fungiert auch als Beratungs- und Vermittlungsstelle. Außerdem kann man hier auch seine Strafe abarbeiten.

Direkt über der Teestube befindet sich das Wohnprojekt „Haus Fedelhören“, das ebenfalls zum Angebot der Hoppenbank gehört. Dort können sich Männer für maximal zwei Jahre in Wohngemeinschaften auf ein selbstständiges Leben nach der Haft vorbereiten. Aus diesem Projekt ist die Teestube ursprünglich entstanden – als die Bewohner immer häufiger ihre Zeit mit Kumpels, die von außerhalb kamen, im Gemeinschaftsraum verbrachten.

Einer der heutigen Bewohner der Wohngemeinschaft ist Christoph, der in seinem knallgrünen Kapuzenpullover und den leicht grünlichen Haaren nicht gerade wie ein klassischer 47-Jähriger aussieht. Das mag auch an seinem Beruf als Frisör liegen, der ihm in der Haft oft eine Arbeit gesichert hat. In ein paar Wochen wird er das Haus im Fedelhören verlassen, um in einer Klinik seine Drogenabhängigkeit, die ihn mehrfach ins Gefängnis gebracht hat, unter Kontrolle zu bekommen. Christoph hat sich ein klares Ziel gesetzt: „Wenn ich 50 bin, will ich, dass das alles vorbei ist, will vom Stoff wegkommen und ein stressfreieres Leben haben.“

Auch Ingolf sehnt sich nach einem ruhigeren Leben. Und vor allem nach einer eigenen Wohnung. Die sind für einen wie ihn in Bremen allerdings gerade sehr schwer zu finden. „Zum Heulen ist das“, sagt er. „Ich bin einfach zur falschen Zeit wohnungslos geworden.“ Am liebsten würde er ja im Haus Fedelhören wohnen bleiben. Aber seine Zwei-Jahres-Frist läuft in ein paar Monaten ab. Ingolf, der ebenfalls mit Drogen zu kämpfen hat, schätzt die Unterstützung im Wohnprojekt sehr. „Wenn ich die nicht bekommen hätte, wäre ich echt untergegangen. Die haben mich hier langsam wieder zum Leben erweckt.“

Auch Christoph geht manchmal in die Teestube. „Die machen echt gutes Essen!“ Dieses Essen gibt es 365 Tage im Jahr. Dass Feiertag ist, merkt man in der Teestube trotzdem, am Speiseplan: Ostersonntag gab es Kaninchenkeule.

Text: Teresa Wolny
Bild: Hartmut Bendig