EDITORIAL: Neustädter Schleichweg
Liebe Leserinnen und Leser,
„das ist gar keine Straße“, war einer der ersten Einwände auf unserer Redaktionskonferenz, „sondern ein Weg“. Und natürlich hatte der aufmerksame Kollege damit nicht ganz unrecht. Im Sinne von Verwaltung und Verkehrsbehörde ist der Helene-Kaisen-Weg allerdings sehr wohl eine Straße, auch wenn sie nur zwei Hausnummern hat. Und wir bei der Zeitschrift der Straße lassen uns ja eh nicht von solchen Kleinigkeiten abhalten: Straße oder Weg? Naja.
Eine „Kleinigkeit“ ist nämlich auch der Weg nicht, obwohl er komplett verkehrsberuhigt ist und sich eher heimlich parallel zur Neuenlander Straße durch die Neustadt schleicht. Er ist so was wie die Hintertür von Flüsse- und Philosophenviertel, ein „Shortcut“ zwischen Bäckerei und Wohnungstür – zwischen Schule und Spielplatz. Wer die endlosen Reihenhäuser dieser Gegend sieht, wird sofort verstehen, warum die meisten AnwohnerInnen ganz froh sind über diese charakteristischen Torbögen in den Fassaden und eben über den Helene Kaisen-Weg, der hindurchführt. Auch wir haben die schönen Seiten dieses Schleichwegs erkannt, auch wegen ungewohnter Blicke hinter die Kulissen: in die grünen Gärten und belebten Räume auf den Rückseiten der doch eher eintönigen Straßen drumherum.
Wir haben ein Paar kennengelernt, das mit Gesten und Musik Geschichten erzählt (Seite 8), den Hauswart jenes Wohnblocks, an dem die einzigen Hausnummern des Wegs prangen (Seite 12) – und zwei Frauen, die auf getrennten Wegen aus der Ukraine nach Bremen geflohen sind und hier plötzlich zu Nachbarinnen wurden (Seite 18).
Wir hoffen, dass diese Begegnungen Sie genauso inspirieren werden
wie uns und wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann
und das Team der Zeitschrift der Straße
Aus dem Inhalt:
08 Es war einmal ein Märchen
ErzählerInnen überwinden Sprachbarrieren
12 Der Mann an den Trommeln
Wir treffen einen Hauswart des GEWOBA-Komplexes
14 Nachts an der Hintertür
Bildstrecke
18 Nach der Flucht
Geflüchtete aus der Ukraine werden zu Nachbarinnen
20 Ein Zufall mit Folgen
Eine Schule benennt sich nach einer jüdischen Mitschülerin, die ins Ghetto Theresienstadt deportiert wurde
24 53.065005, 8.787950
Lyrik
28 „Furchtbar, dass Menschen so leben müssen“
Lisa Bäuml arbeitet ehrenamtlich im Vertriebsbüro
Ab 6. März 2023 bei unseren VerkäuferInnen auf Bremens und Bremerhavens Straßen erhältlich!