Jahr: 2016

SELBST WENN DIR BLAUE TENTAKEL WACHSEN

#43 AUF DER BRAKE – Im Café Papagei treffen sich Wohnungslose und Menschen mit wenig Geld. Hier sind alle willkommen. Nur bei einem Thema kennt das Team keine Toleranz   „Junger Mann, Sie wollten duschen“, sagt Karin zu dem schlaksigen Mittzwanziger. „Stimmt, Sie haben recht. Wollte ich nicht, aber ich sollte“, antwortet er. Und trägt sich in die Liste für die Duschen ein. „Kann ich einen Rasierer haben? Ist ja Montag“, fragt der junge Mann. „Es ist Dienstag“, entgegnet Cory und überreicht ihm Handtuch und Rasierer. Karin und Cory, Angestellte der Inneren Mission, arbeiten im Café Papagei, einem Treffpunkt für Wohnungslose und Menschen mit wenig Geld. Hier gibt es günstigen Kaffee, belegte Brötchen, Bockwurst und auch ein warmes Mittagsessen. Die Gäste können hier duschen, ihre Wäsche waschen oder sich eine Postadresse einrichten. Etwa ein Drittel der Besucher ist ohne Wohnung, ansonsten mischen sich die Szenen. Das liegt vor allem an der Lage – früher, als die Wohnungslosenhilfe noch im Jakobushaus am Breitenweg war, kamen überwiegend Obdachlose, erzählt Karin, während ihre Augen den Raum absuchen.Ihr Gesicht …

HELFEN SIE MIT: BREMER STRASSEN FÜR 2017

Ihre Stadtkenntnis ist gefragt. Wir suchen Bremer Straßen und Orte für unsere nächsten Ausgaben   Seit Anfang 2011 thematisiert die Zeitschrift der Straße in jeder Ausgabe eine Straße bzw. einen Ort in Bremen. Sie beschäftigt sich mit den Menschen, die sich an den Orten aufhalten, und mit dem Leben auf den Straßen. Die Zeitschrift der Straße erzählt Geschichten, die es nirgendwo sonst zu lesen gibt. Inzwischen ist auf diese Weise ein „journalistischer Stadtplan“ in 42 Teilen entstanden, und fast monatlich kommt ein neuer hinzu. Die meisten Ausgaben unserer Zeitschrift können Sie online lesen (Rubrik LESEN im Hauptmenü). Für 2017 sind wir noch auf der Suche nach Straßen und Orten mit Potenzial, um ihnen Ausgaben zu widmen. Ob eine Straße „schön“ oder ein Ort „bedeutend“ ist, spielt für uns keine Rolle. Meist sind es unscheinbare, etwas abgelegene Straßen, die mit Überraschungen aufwarten. Möchten Sie uns eine Straße oder einen Ort vorschlagen? Dann teilen Sie uns mit, worin Sie das Potenzial dieser Straße bzw. dieses Ortes sehen. Welche Geschichten gibt es dort zu entdecken und zu erzählen? …

INFO-ABEND UND KENNENLERNEN

Wie entsteht eigentlich eine Ausgabe der Zeitschrift der Straße? Wie gelangt sie in den Straßenverkauf? Wie werden die StraßenverkäuferInnen unterstützt? Wie sieht das Vertriebsbüro aus? Welche Projekte hat das Team der Zeitschrift der Straße für die nächste Zeit in der Pipeline? Welche Möglichkeiten bietet die Zeitschrift für freiwilliges Engagement? Am Donnerstag, den 27. Oktober 2016, ab 17 Uhr erhalten Sie Antworten auf diese und weitere Fragen. Der Freundeskreis der Zeitschrift der Straße lädt alle Interessierten ein zu einer Info-Veranstaltung ins Café Papagei (Auf der Brake 2, 28195 Bremen). VertreterInnen von Redaktion, Vertrieb, Marketing und auch der Uni der Straße stellen ihre Arbeitsbereiche vor und stehen danach in lockerer Runde bei Snacks und Getränken für Gespräche zur Verfügung. Natürlich freut sich der Freundeskreis auch über neue Mitglieder und bietet die Möglichkeit, während des Abends beizutreten. Wir freuen uns darauf, Sie zu dem Treffen begrüßen zu dürfen. Damit wir besser planen können, bitten wir Sie um eine unverbindliche Anmeldung. Tut uns leid, die Anmeldung ist inzwischen geschlossen.

#42 WOLLKÄMMEREI

EDITORIAL: VOM AUFSTIEG UND FALL Blumenthal ist nur ein kleines Fischerdorf außerhalb des Zollgebietes, als einige Konsuln und Kaufleute hier 1883 eine Aktiengesellschaft gründen: die Bremer Wollkämmerei. Heute steht Blumenthal vor allem für wirtschaftlichen Niedergang und soziale Probleme, irgendwo am Rande der Stadt. Dazwischen liegen Aufstieg und Fall eines Unternehmens, das mal zu den ganz Großen seiner Branche gehörte und der Stadt ein riesiges, noch dazu weitgehend denkmalgeschütztes Areal hinterlassen hat. Blumenthal, das war die Wollkämmerei. Was aus all dem jetzt werden soll? Wir haben uns mal eine Weile drinnen umgesehen (Seite 16) und dann ein paar Leute gefragt, die sich mit so was auskennen. Welche Visionen sie für die Wollkämmerei haben, ist ab Seite 8 nachzulesen und auch anzugucken. Außerdem haben wir nach den Spuren der ZwangsarbeiterInnen gesucht, die einst hier schuften mussten (Seite 12). Wir haben einen Mann besucht, der am Beispiel unseres Mülls viel über die Entwicklung dieser Brache in neuerer Zeit erzählen kann (Seite 22). Und eine Frau, die auch mal ganz oben war – und sich in Blumenthal wieder zurückgekämpft …

GESUCHT WIRD: EINE VISION

#42 WOLLKÄMMEREI – Was soll eigentlich aus der Wollkämmerei werden? Wir haben ein paar Leute gefragt, die sich mit so was auskennen   Das ganze Gelände ist größer als der Vatikan. Aber eine Brache, mehr oder weniger. Und das schon seit vielen Jahren: 2009 machte die Bremer Wollkämmerei endgültig dicht. Was geblieben ist? Eine „Perle der Industriekultur“, wie die Bremer Wirtschaftsförderer schreiben, und zwar eine mit „hohem Entwicklungspotenzial“. Aber was genau soll das heißen? Anfrage bei Klaus Hübotter: Der Alt-Kommunist und Ehrenbürger hat als Kaufmann und Bauherr schon zahllose historische Gebäude in Bremen gerettet. Den Schlachthof und den Speicher XI, das Bamberger Haus, die Villa Ichon, den alten Sendesaal von Radio Bremen. Und so weiter! Wenn also irgendjemand eine gute Idee für die Wollkämmerei haben könnte, dann ist es Klaus Hübotter. Doch er sei „ohne Zeit und Ideen“, schreibt uns der Mittachtziger, mit besten Grüßen. Mit seiner Architektur der Gründerzeit sei das Gelände „ideal als Bürofläche für Künstler, Designer, Ingenieure und Architekten, für Gastronomie oder als Veranstaltungsraum“, behaupten die Wirtschaftsförderer. „Das ist genau die Fantasielosigkeit, …

#41 OSTERSTRASSE

EDITORIAL: WACHGEKÜSST Die Osterstraße ist ein Ort, der über Jahre in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hin träumte. Es war ein langer, ereignisarmer Schlaf. Doch dann kamen die Menschen, und mit ihnen ihre Ideen und Projekte. Das faszinierende an der Osterstraße ist heute, dass sie zu unterschiedlichen Zeiten ganz unterschiedliche Menschen anzieht. Tagsüber die Alteingesessenen, die Kioskgäste, die Krankenhausangestellten, die Besucher mit ihren Blumensträußen. Abends dann die Studierenden, die in die Kneipen einfallen, die sich entlang der Osterstraße neu angesiedelt haben. Und in den Zeiten und Räumen dazwischen: bunte Vögel, eigenwillige Ladenbesitzer, Künstler – und Lebenskünstler. Unsere Fotografin Jasmin Bojahr, Meisterschülerin an der Hochschule für Künste, fasste es auf einer Redaktionskonferenz treffend zusammen: Die Straße oszilliert. Und auch unsere Texte atmen dieses Auf und Ab. Die Geschichte von Herma Siebrasse etwa, die nicht anders konnte, als ein künstlerisches Leben zu führen (Seite 20). Oder das Interview mit Christine Fischer, klein im Wuchs, aber großherzig im Leben (Seite 8). Ein ganzes Drama breiten wir Ihnen in unserem letzten Text in dieser Ausgabe aus. In den Hauptrollen: …

FLUCH DER GUTEN TAT?

#41 OSTERSTRASSE – In einem Altbau in der Rückertstraße sollen Wohnungslose untergebracht werden – die Mieter mussten deshalb weichen   Die Feuerschutztür liegt schon im Treppenhaus bereit. Für die Bewohner der letzten Wohn­gemeinschaft in der Rückertstraße 2 wirkt sie wie eine Drohung. Seit Monaten tauschen Handwerker alle Holztüren des Altbaus gegen graue Metalltüren aus. Das Treppenhaus ist nun halbhoch gefliest, das Geländer an manchen Stellen bereits grau gestrichen. Überall liegt feiner Staub. „Das war eine wandernde Baustelle“, sagt Ariane im Frühsommer 2016. Sie ist eine der letzten festen Mieterinnen des Hauses. Alle anderen haben es bereits verlassen – darunter eine Wohn­gemeinschaft mit zwei kleinen Kindern, der Lärm und Staub zu viel wurden. In dem Haus an der Ecke zur Osterstraße soll eine private Herberge für Obdachlose entstehen. Seit Juli 2015 mietet das Land Bremen hier bereits eine der Vierzimmer­wohnungen als temporäre Unterkunft für Menschen, die sonst auf der Straße leben müssten. Jetzt sollen im gesamten Haus weitere wohnungslose Menschen einziehen. Die bisherigen Mieter fühlen sich mutwillig verdrängt, und das nicht nur durch den Baulärm. Was …

KOMMEN SIE IN UNSER VERTRIEBSTEAM!

Sie kennen und lieben die Zeitschrift der Straße? Sie wissen, dass Bremens Straßenmagazin von Studierenden als Lernprojekt erstellt wird? Sie haben vielleicht sogar Ihre Stammverkäuferin bzw. Ihren Stammverkäufer in der Stadt? Dann fragen Sie sich vielleicht, wie die StraßenverkäuferInnen eigentlich an die Hefte kommen, die sie verkaufen, und wer die VerkäuferInnen betreut. Die Antwort auf fast alles ist (und hat) unser Vertriebsteam! Es besteht aus knapp einem Dutzend Ehrenamtlicher im Alter zwischen 20 und 70 Jahren. In zwei Schichten pro Tag zu je drei Stunden betreiben sie das Vertriebsbüro in der Innenstadt. Was bedeutet das? Im Mittelpunkt steht immer der Kontakt mit den StraßenverkäuferInnen, die das Büro aufsuchen, um Hefte für 90 Cent zu kaufen, die sie anschließend auf der Straße für 2 Euro anbieten. Das Vertriebsteam prüft Verkäuferausweise, gibt Hefte aus, kassiert das Geld, trägt den Umsatz in eine Datenbank ein und macht am Ende der Schicht eine Abrechnung. Neuen VerkäuferInnen werden die Verkaufsregeln erklärt und Ausweise ausgestellt. Ebenso wichtig wie der Heftverkauf sind die Gespräche mit den VerkäuferInnen, die mit ihren Sorgen und …

Gruppenbild der TeilnehmerInnen der INSP-Tagung 2016

TAGUNG DER STRASSENZEITUNGEN IN ATHEN

Am 13.-16. Juni 2016 fanden sich 120 Vertreterinnen und Vertreter von 59 Straßenzeitungen und -magazinen aus 30 Ländern in Athen ein (Bild oben). Dorthin hatte unser Dachverband INSP (International Network of Street Papers) zur Jahrestagung geladen. Ausgerichtet wurde die Tagung von Shedia, dem griechischen Straßenmagazin, das erst 2013 gegründet wurde, aber seither enorm erfolgreich agiert und viel Aufmerksamkeit erfährt. Dank einer Förderung des Stifterverbands konnte ich die Zeitschrift der Straße in Athen vertreten und von dort live über Twitter berichten. Die Umstände der Tagung waren schwierig. Täglich streikten unterschiedliche öffentliche Verkehrsbetriebe. Ein Fluglotsenstreik lag in der Luft. Und das Hotel, in dem die meisten Teilnehmer wohnen sollten, hatte eine Woche vor Beginn der Tagung den Betrieb eingestellt und Insolvenz angemeldet. Das durch jahrelange Politik- und Wirtschaftskrise gestählte griechische Organisationsteam vermochte es trotzdem, eine nahezu perfekte Tagung zu zaubern. Im Kern dient die jährliche INSP-Tagung dem Erfahrungsaustausch, Training, gegenseitiger Beratung, dem Hervorheben besonderer Innovationen und neuer Entwicklungen sowie der Stärkung von Kooperation und Solidarität. Zusätzlich setzt jede Tagung eigene Akzente, die in Athen auf sozialem Unternehmertum …

#40 ERDBEERBRÜCKE

Lauter Fotos, keine Erdbeere Sie ist unauffällig und praktisch, die Erdbeerbrücke, da und dort vielleicht ein wenig zu wuchtig, zu kalt geraten, zu nützlich. Man will hier nicht verweilen, nur einfach schnell hinüberkommen, erst recht, weil es oft zieht. Und laut ist es auch. An Erdbeeren ist hier gar nicht mehr zu denken. Doch es gibt viele Geschichten an diesem Ort, von denen wir Ihnen – ausnahmsweise! – einmal vor allem in Fotos erzählen. Nicht, weil wir finden, dass Text eh überbewertet wird, sondern um in der Zeitschrift der Straße mal etwas ganz Neues auszuprobieren. Wir wollen uns der Stadt, dem Magazin noch einmal mit einem anderen Blick nähern. Also waren wir in den Archiven, um erstmal der Frage nachzugehen, wer denn überhaupt dieser Karl Carstens war, nach dem die Brücke ja offiziell benannt ist, welche Spuren er hinterlassen hat. Später haben wir Hannelore Mönch besucht, die an diesem scheinbar unwirtlichen Ort lebt, und zwar schon seit sehr vielen Jahren, sommers wie winters. In einem Kaisenhaus, einer vom Aussterben bedrohten Bremer Lebensform. Außerdem waren wir, …