EDITORIAL: Von Bärten und Büchern
Nein, sagt die Studentin, in Walle sei sie noch nie gewesen. Dabei komme sie ja aus Bremen! Aber was ist dann erst mit Gröpelingen? Das ist ja noch viel weiter draußen, schon fast Bremen-Nord, und kurz vor diesem Bremerhaven. Für viele BremerInnen ist das eben immer noch sehr weit weg, in jeder Hinsicht. Und anderswo ist der Stadtteil noch als das bekannt, was man früher einen „sozialen Brennpunkt“ nannte. Weil das aber zu sehr nach Drogen und Gewalt klingt, heißt das heutzutage „Quartier mit besonderem Entwicklungsbedarf“.
Um jener Welt einmal näherzukommen, waren wir jetzt also in der Lindenhofstraße, da, von wo aus man früher zu „Use Akschen“ ging. Dort fanden wir eine innovative Bibliothek, die immer weniger mit Büchern zu tun hat und gerade darum so gut ist (Seite 8). Wir haben uns den Bart stutzen lassen, um bei der Gelegenheit mit den Menschen ins Gespräch zu kommen (Seite 20), und einen alten Stuhl in die Recycling-Börse gebracht, um die Wegwerfgesellschaft mal aus einer anderen Warte zu betrachten (Seite 12). Und wir haben mit vielen Menschen geredet, die hier wohnen, um dem Lebensgefühl des Quartiers etwas näher zu kommen (Seite 24). Wir haben sie nach ihrem ganz eigenen Blick auf den Lindenhof gefragt (Seite 28) und sie sogar schon morgens früh um fünf Uhr beim Bäcker getroffen, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit mal eben frühstücken (Seite 14).
Viel Vergnügen beim Lesen wünschen Jan Zier, Philipp Jarke
und das ganze Team der Zeitschrift der Straße
Aus dem Inhalt:
08 Vielleicht sogar Heimat
Die Stadtbibliothek West ist ihrer Zeit voraus – weil es hier immer weniger um Bücher geht
12 Hauptsache, nicht altdeutsch
In der Recyclingbörse ist „Eiche rustikal“ ein Ladenhüter
14 Morgens um fünf in Gröpelingen
Bildstrecke
20 In den Händen des Apo (online lesen)
Ein Besuch beim Frisör Abdullah Bozkir, der auf der Suche nach einem besseren Leben nach Gröpelingen kam
24 Bitterarm und glücklich
Im Lindenhof konzentrieren sich die Probleme der Stadt, aber die Menschen scheint das kaum zu stören
28 Mag ich, mag ich nicht
Was denken Gröpelinger über Gröpelingen? Ein Experiment auf Instagram
Beitragsbild: Thomas Hawk/flickr.com