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EIN GUTER VORSATZ FÜR 2020

„Likes“ sind die digitale Währung für Sichtbarkeit und Anerkennung in den sozialen Medien und lösen die Produktion des Glückshormons Dopamin aus. Der hohe Anteil von Selfies in Timelines auf Instagram, Facebook etc. zeugt davon, wie wichtig Sichtbarkeit für das eigene Ego ist. Wer im Netz keine Schar von „Freunden“ und Followers hat, ist speziell bei jüngeren Altersgruppen gesellschaftlich geradezu irrelevant.

Wie ergeht es da Menschen, die nicht nur in der virtuellen Welt unsichtbar sind, sondern sogar in der realen? Menschen, die konsequent übersehen werden, weil ihr Anblick andere Menschen an Abgründe erinnert, die sie lieber verdrängen möchten? Menschen, die nicht nur keine „Likes“ erhalten, sondern vertrieben, ausgegrenzt und diskriminiert werden? Täglich. Die aus politischem Kalkül sogar in amtlichen Statistiken unsichtbar sind: Menschen ohne Wohnung.

Diese Bevölkerungsgruppe hat weder das Selbstbewusstsein, noch die Ressourcen, um für die eigenen Interessen kämpfen. Auf sich allein gestellt, wären wohnungslose Menschen nicht nur unsichtbar, sondern auch sprachlos. Zum Glück haben sie in Bremen eine kleine Lobby, die ihnen eine Stimme und ein wenig politisches Gewicht verleiht. Zu dieser Lobby gehören z.B. das Bremer Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“, der Verein für Innere Mission als Träger der Wohnungslosenhilfe, einige weitere Hilfsorganisationen und die Zeitschrift der Straße. Auch Sozialsenatorin Anja Stahmann engagiert sich für die Verbesserung der Lebenssituation wohnungsloser Menschen in Bremen.

Was jedoch fehlt, ist ein breites öffentliches Bewusstsein und Verständnis für das Leid, die Unsicherheit und die Scham, die Wohnungslosigkeit für die Betroffenen bedeuten. Um Aufklärungsarbeit zu leisten, bietet die Zeitschrift der Straße seit 2017 „Perspektivwechsel“-Führungen durch das Bremer Bahnhofsviertel an. Tandems aus ehemals wohnungslosen Menschen und Ehrenamtlichen erklären die „Szene“ und ihre Plätze, stellen Hilfsangebote vor und beantworten alle Fragen rund um das Leben auf der Straße. Ebenfalls mit dem Ziel, neue Perspektiven auf Wohnungslosigkeit zu eröffnen, produzierte und veröffentlichte das Team der Zeitschrift der Straße den Videospot „Ab heute nicht mehr unsichtbar“.

Falls Sie noch auf der Suche sind nach einem guten Vorsatz für 2020, hätten wir einen Vorschlag: Gehen Sie stets mit offenen Augen und offenem Herzen durch die Stadt und achten Sie auf Menschen in besonderer wirtschaftlicher und sozialer Not. Damit überwinden Sie deren Unsichtbarkeit. Schauen Sie hin und helfen Sie nach Ihren Möglichkeiten. Oder tun Sie sich und anderen etwas Gutes und engagieren Sie sich ehrenamtlich. Die Freiwilligenagentur Bremen, der Verein für Innere Mission und das Team der Zeitschrift der Straße informieren Sie gern.

Wir wünschen Ihnen ein gesundes und erfülltes neues Jahr.

Text und Bildbearbeitung: Michael Vogel
Beitragsbild: baerchen57/flickr.com