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#123 RATHAUS

Titelfoto: Beate C. Koehler / Foto im Hintergrund: Wolfgang Everding

EDITORIAL: Endspurt

Liebe Leser:innen,

dieses Heft fing ganz gemütlich an – und wurde dann doch noch zum schweißtreibenden Kraftakt. Wie das kam? Nun, wir haben diesmal sehr zeitig angefangen zu planen, damit wir diesen besonderen Ort, das Bremer Rathaus, auch mit der gebotenen Ausgeruhtheit würdigen können. Außerdem, so dachten wir, steht das Rathaus ja selbst ungerührt seit Jahrhunderten an Ort und Stelle – was soll also passieren? Also stiegen unsere Autor:innen und Fotograf:innen schon im Sommer in den spektakulären Dachstuhl (S. 8), vereinbarten früh einen Interviewtermin mit dem viel beschäftigten Bürgermeister Andreas Bovenschulte (S. 12) und machten sich kunsthistorisch fundierte Gedanken zu den Wandmalereien im Bacchuskeller (S. 24). Für die Fotostrecke aus besseren Zeiten (S. 16) stieg unser Bildredakteur Jan Zier tief ins Archiv – und kam ins Schwärmen. Aber dann kam es doch noch mal dicke: Weil ein Rathausheft einfach nicht auskommt ohne eines dieser besonderen hanseatischen Highlights, die dort jährlich stattfinden, besuchten wir Anfang Novem­ber – und damit schon mitten in der Layout- und Korrekturphase – den traditionellen Hochseeseglerabend der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ (S. 28). Schließlich eilten wenige Tage vor Andruck eine Autorin und ein Foto&shgraf auch noch zur „Nacht der Jugend“ (S. 20).

Und nun halten Sie das alles hier in den Händen, ist das nicht unglaublich? Deshalb gilt unser besonderer Dank an dieser Stelle unserer fantastischen Layouterin Ann-Kristin Hitzemann und unserem nicht aus der Ruhe zu bringenden, unbestechlichen Lektoratsteam von der Textgärtnerei. Das hier ist Teamwork, immer – und manchmal auch ganz besonders.

Viel Freude mit dieser bunten Hanseatenmischung wünschen Ihnen

Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann
und das Team der Zeitschrift der Straße

Aus dem Inhalt:

UNTER DACH UND FACH

Was sich unter dem Dach des Bremer Rathauses befindet,
lässt sich nur mit fachkundiger Begleitung erfahren.

Seite 8


Text: Ulrike Plappert / Fotos: Wolfgang Everding

EIN FREUND VON ERDBEERMARMELADE

Bürgermeister Andreas Bovenschulte spricht im Interview über Welterbe
und Senatskonfitüre, Obdachlosigkeit und seinen Lieblingsort

Seite 12


Interview: Nora Elbrechtz / Fotos: Beate C. Koehler

MIT DEN TOTEN LEBEN

Bei der Nacht der Jugend teilen Zeitzeug:innen
ihre erschütternden Erfahrungen

Seite 20


Text: Maja Wahl / Fotos: Wolfgang Everding

GROTTIG

Unsere Autorin ist Kunsthistorikerin – und fällt ein
gnadenloses Urteil über die Malereien im Bacchuskeller

Seite 24


Text: Friederike Quander / Fotos: Norbert Schmacke

ROTE HOSEN, RAUE SEE

Beim Hochseeseglerabend der Segelkameradschaft
„Das Wappen von Bremen“

Seite 28


Text: Karolina Meyer-Schilf / Foto: Karolina Meyer-Schilf & Nils Krammig

Ab dem 2. Dezember 2024 bei unseren Verkaufspersonen auf Bremens und Bremer­havens Straßen erhältlich!

Die Verkaufspersonen der Zeitschrift der Straße haben fest zugewiesene Verkaufsplätze. An diesen Standorten können Sie unsere Verkaufenden antreffen:

Vollbildanzeige

Sollten Sie wider Erwarten keine Verkaufsperson antreffen, können Sie Ausgaben in Ausnahmefällen online per Einzelbestellung erwerben. Die aktuellste Ausgabe ist jedoch nur auf der Straße zu erwerben.

Für alle Auswärtigen sowie für Bremer Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kneipen, Cafés, Hotels, Arztpraxen, Frisiersalons, Anwaltskanzleien etc. gibt es die Zeitschrift der Straße übrigens auch im Abo.

#126 WOLTMERSHAUSER STRASSE

Titelfoto: Norbert Schmacke / Foto im Hintergrund: Wolfgang Everding

EDITORIAL: Einfach Pusdorf

Liebe Leser:innen,

es braucht eine besondere Beziehung zwischen Mensch und Raum, damit wer auf die Idee kommt, einem Stadtteil einen Spitznamen zu geben. Wie dieses Verhältnis in Woltmershausen ganz genau aussieht, können wir Ihnen zwar nicht erklären – aber ausgeprägt ist es auf alle Fälle. Denn hier, an der Woltmershauser Straße, sagt wirklich niemand Woltmershausen. Sondern Pusdorf.

Aber auch abgesehen vom Namen haben wir ein Quartier kennengelernt, das wir so nicht erwartet hatten. Vor allem sind die Menschen auf eine Weise offen und herzlich, wie wir es nur selten bei unseren Recherchen erleben: „Wer seid ihr? Ach was! Könnt ihr mir auch gleich erzählen – kommt erst mal rein!“ So geht das hier. Und so haben wir wirklich eine Menge kennengelernt: einen Glaser und Ätzer, der wohl zu den letzten seiner Art gehört (S. 16), eine Journalistin, die um ein kriselndes Lokalblatt ringt (S. 22), eine Stickerei, die vor einer Weile noch in Aleppo stand (S. 26) – und nicht zuletzt fusionierende Kirchengemeinden (S. 14).

Es ist jedenfalls ganz schön viel los in Woltmers… Pusdorf! Eine Neuerung, von der wir alle auch über diese Ausgabe hinaus etwas haben werden, finden Sie übrigens gleich auf Seite 6. Cartoonist Paul Amsel gehört seit dieser Ausgabe zur Zeitschrift der Straße und wird unsere Vor-Ort-Recherchen künftig mit seinen Karikaturen begleiten. Damit – und wie immer auch mit der übrigen Lektüre – wünschen wir Ihnen viel Spaß! Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann und das Team der Zeitschrift der Straße ist das Bremer Straßenmagazin – ein gemeinsames Projekt von Studierenden, Journalist:innen, sozial Engagierten, Streetworker:innen, Hochschullehrer:innen und von Menschen, die von Wohnungslosigkeit und Armut bedroht oder betroffen sind. Herausgegeben wird sie vom Verein für Innere Mission in Bremen. Die Zeitschrift der Straße wird auf der Straßeverkauft, die Hälfte des Verkaufserlöses geht an die Verkäufer:innen. Jede Ausgabe widmet sich einem anderen Ort in Bremen und erzählt Geschichten von der Straße.

Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann
und das Team der Zeitschrift der Straße

Aus dem Inhalt:

TÜR AN TÜR

Zu Besuch bei der Wohngemeinschaft Woltmershausen

Seite 8


Text: Andrea Schweers / Fotos: Norbert Schmacke & Hartmuth Bendig

MIT DEM SCHROTT DER BREMER GESCHICHTE
ZUM ERFOLGREICHEN UNTERNEHMER

Eine Geschichte über Erwin Meyer

Seite 12


Text: Katinka Münch / Fotos: Beate C. Koehler

DIE KIRCHE IM PUS-DORF LASSEN

Lieber zusammen als leer: fusionierende Kirchengemeinden

Seite 14


Text: Ulrike Plappert / Fotos: Wolfgang Everding

NEUES GLAS AUS ALTEN SCHERBEN

Bildstrecke

Seite 16


Fotos: Wolfgang Everding / Text: Jan-Paul Koopmann

„EINE KLEINE HOFFNUNG GIBT ES NOCH“

Ein Interview über das Pusdorfer Blatt

Seite 22


Interview: Andrea Schweers / Foto: Norbert Schmacke

STICH UM STICH

Die kleine Stickerei an der Woltmershauser Straße stand früher in Syrien

Seite 26


Text: Thomas Siegmund / Foto: Torsten Schmidt

Ab dem 7. April 2025 bei unseren Verkaufspersonen auf Bremens und Bremer­havens Straßen erhältlich!

Die Verkaufspersonen der Zeitschrift der Straße haben fest zugewiesene Verkaufsplätze. An diesen Standorten können Sie unsere Verkaufenden antreffen:

Vollbildanzeige

Sollten Sie wider Erwarten keine Verkaufsperson antreffen, können Sie Ausgaben in Ausnahmefällen online per Einzelbestellung erwerben. Die aktuellste Ausgabe ist jedoch nur auf der Straße zu erwerben.

Für alle Auswärtigen sowie für Bremer Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kneipen, Cafés, Hotels, Arztpraxen, Frisiersalons, Anwaltskanzleien etc. gibt es die Zeitschrift der Straße übrigens auch im Abo.

#125 Schildstrasse

Titelfoto: Susanne Frerichs / Foto im Hintergrund: Norbert Schmacke

EDITORIAL: Echte Kenner

Liebe Leser:innen,

es gibt eine Faustregel bei uns: Je bekannter die Straße, umso schwieriger die Themenfindung. Wie das kommt? Nun, wir wollen ja nicht immer nur das erzählen, was ohnehin schon jeder weiß. Wir suchen die Geschichten hinter den Fassaden – am liebsten solche, die noch nicht – oder jedenfalls nicht so – erzählt wurden. Das ist naturgemäß schwierig, wenn in einer Straße das Kulturzentrum Lagerhaus, das Figurentheater „Mensch, Puppe“ und das Theaterkontor liegen – und um die Ecke auch noch die legendäre Lila Eule.

Aber wie immer haben wir uns unerschrocken jeder Herausforderung gestellt, von der das Interview mit einem Vampir (S. 16) vermutlich die gefährlichste war. Aber auch die Geschichte der Lila Eule (S. 12) zum Jubiläum ganz ohne Apo-Folklore zu erzählen, sondern rein über die Musik, ist gar kein so einfaches Unterfangen. Gut, wenn man echte Kenner:innen unter seinen Autor:innen hat.

Im Lagerhaus selbst hat uns dann ausnahmsweise nicht interessiert, was auf der Bühne geschieht, sondern dahinter. Was bedeuten eigentlich die ganzen Knöpfe am Mischpult? Jonas Wohlfeld hat uns seinen Job erklärt (S. 22). Eine ganz besondere Aufgabe hat schließlich auch Daniel Magel. Er ist der Gründer von Hood Training, wo Jugendliche Sport machen anstatt Probleme – und hat sich für uns ans Reck gehängt (S. 26).

Sie sehen schon: Die Mischung ist diesmal so bunt geworden wie die Straße, um die es in diesem Heft geht. Neue Einblicke und viel Vergnügen bei der Lektüre wünschen Ihnen

Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann
und das Team der Zeitschrift der Straße

Aus dem Inhalt:

„DAS FÖRDERSYSTEM IST VOLLER STOLPERFALLEN

Die „Agentur für fast Alles“ bringt Geld und freie Kunst zusammen

Seite 8


Text: Andrea Schweers / Fotos: Beate C. Koehler

„DIE ANGST DER MENSCHEN IST UNSER GRÖSSTES PROBLEM“

… sagt Michael Pietsch von der Lila Eule. Ein Ortstermin zum Jubiläum

Seite 12


Text: Klaus Ritzkowski / Fotos: Thorsten Schmidt

BITTE NICHT BEISSEN!

Interview mit einem Vampir: die Bildstrecke

Seite 16


Fotos: Susanne Frerichs / Fragen: Nora Elbrechtz

DER WICHTIGSTE KNOPF IST STUMM

Jonas Wohlfeld ist Veranstaltungstechniker im Lagerhaus –
und erklärt uns seine ganzen Knöpfe

Seite 22


Text: Frieda Ahrens / Fotos: Norbert Schmacke

VON DER STRASSE ANS RECK

Hood Training ist wenn Jugendliche Sport machen anstatt Probleme.
Gründer Daniel Magel erzählt, wie alles begann

Seite 26


Text: Ulrike Plappert / Foto: Wolfgang Everding

Ab dem 3. März 2025 bei unseren Verkaufspersonen auf Bremens und Bremer­havens Straßen erhältlich!

Die Verkaufspersonen der Zeitschrift der Straße haben fest zugewiesene Verkaufsplätze. An diesen Standorten können Sie unsere Verkaufenden antreffen:

Vollbildanzeige

Sollten Sie wider Erwarten keine Verkaufsperson antreffen, können Sie Ausgaben in Ausnahmefällen online per Einzelbestellung erwerben. Die aktuellste Ausgabe ist jedoch nur auf der Straße zu erwerben.

Für alle Auswärtigen sowie für Bremer Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kneipen, Cafés, Hotels, Arztpraxen, Frisiersalons, Anwaltskanzleien etc. gibt es die Zeitschrift der Straße übrigens auch im Abo.

#124 Am Deich

Titelfoto: Beate C. Koehler / Foto im Hintergrund: Wolfgang Everding

EDITORIAL: Nah am Wasser gebaut

Liebe Leser:innen,

mit dieser Ausgabe der Zeitschrift der Straße haben wir es endlich mal wieder in die Neustadt geschafft – wenn auch nur an ihren Rand. Die Straße Am Deich liegt nämlich, wie der Name schon verrät, am Ufer der Weser und damit direkt an der Grenze zum alten Bremen. Einen Deich gibt es hier übrigens wirklich, was die kleine Straße wichtig für die ganze Stadt macht. Aber auch sonst ist die Straße sehr viel bekannter, als der doch sehr spärliche Durchgangsverkehr vermuten lässt. Weithin über den Fluss zu sehen ist etwa die Beck’s-Brauerei, der man gar nicht zutrauen würde, dass sich der große Komplex ganz am Ende einer kleinen Sackgasse versteckt. Wie gesagt: Viel Verkehr kommt hier wirklich nicht durch, aber an Zielen mangelt es nicht.

Da wäre zum Beispiel das ehemalige Künstlerhaus am Deich, das seit Kurzem Künstler:innenhaus heißt. Warum das so ist und warum das nur wenig mit aktuellen Trends und Zeitgeisterei zu tun hat, haben wir nachgefragt (Seite 12). Bekannt ist die Straße auch für ihre alten Platanen – und etwas mehr vielleicht noch für den Streit um die Bäume. Wir haben uns von beiden Seiten erklären lassen, worum es dabei eigentlich genau geht (Seite 8). Bei Azul durften wir Kaffeeröster:innen über die Schulter gucken (Seite 16) und, ach … Blättern Sie doch einfach weiter und schauen Sie selbst nach, was wir am Deich so alles zu tun hatten. Es war jedenfalls eine spannende Zeit am Rand der Neustadt. Auch wenn es etwas weniger kalt und nass hätte sein dürfen.

Wir hoffen, Sie lesen diese Ausgabe mit trockenen Füßen und haben Freude daran. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann
und das Team der Zeitschrift der Straße

Aus dem Inhalt:

DEN DEICH VOR LAUTER BÄUMEN

Kaum ein Projekt wird in der Bremer Neustadt so heftig diskutiert wie die geplante neue Hochwasserschutzanlage und das Schicksal der Platanen am Deich

Seite 8


Text: Andrea Schweers / Fotos: Norbert Schmacke

DER KLEINE UNTERSCHIED

Das Künstlerhaus Bremen ist nun ein Künstler:innenhaus.
Und die Idee ist viel älter, als Sie jetzt wahrscheinlich denken

Seite 12


Interview: Marit Hertrampf / Fotos: Sara Förster / Künstler:innenhaus

VON DER BOHNE BIS ZUM DAMPF

Bildstrecke

Seite 16


Fotos: Wolfgang Everding

KUNST IM ÄTHER

Urbanscreen setzt Hausfassaden mit Videotechnik in Szene –
in Bremen und weit darüber hinaus

Seite 22


Text: Ulrike Plappert / Fotos: Beate C. Koehler

BLICK IN DIE VERGANGENHEIT

Bei einer Pause am Ufer fragt sich unser Autor, ob man in ferner Zukunft
wohl auch an die Straße von heute zurückdenken wird.
Ob hier dann wohl Infotafeln über die Lage im Jahr 2025 stehen?

Seite 26


Text: Thomas Siegmund / Foto: Wolfgang Everding

Ab dem 3. Februar 2025 bei unseren Verkaufspersonen auf Bremens und Bremer­havens Straßen erhältlich!

Die Verkaufspersonen der Zeitschrift der Straße haben fest zugewiesene Verkaufsplätze. An diesen Standorten können Sie unsere Verkaufenden antreffen:

Vollbildanzeige

Sollten Sie wider Erwarten keine Verkaufsperson antreffen, können Sie Ausgaben in Ausnahmefällen online per Einzelbestellung erwerben. Die aktuellste Ausgabe ist jedoch nur auf der Straße zu erwerben.

Für alle Auswärtigen sowie für Bremer Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kneipen, Cafés, Hotels, Arztpraxen, Frisiersalons, Anwaltskanzleien etc. gibt es die Zeitschrift der Straße übrigens auch im Abo.

WIR GEDENKEN UNSEREN TOURGUIDE DANIEL

Daniel, unser Verkäufer und Tourguide bei den sozialen Stadtführungen, lebt nicht mehr. Wir können es noch gar nicht fassen.

Noch im Oktober verkaufte er die Zeitschrift der Straße in der Innenstadt. Sein fester Verkaufsplatz war am Blumenmarkt auf dem Unser Lieben Frauen Kirchhof. Die sozialen Stadtführungen begleitete er noch bis in den Oktober wie zuvor.

Dann wurde er aber durch eine schwere Erkrankung jäh aus dem aktiven Leben gerissen. Sein Kampf um das Leben war kurz aber leidvoll. Die letzten Wochen waren so anstrengend. Wir haben bis zum Schluss engen Kontakt gehalten. Nun ist er am 30. November 2024 friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen.

Daniel war über Jahre ein beliebter, immer freundliche Verkäufer unserer Zeitschrift. Er konnte viele Stammkunden gewinnen. Einige Fragen jetzt schon nach ihm. Häufig erzählte er von den Begegnungen mit den Käufern.

Auch für Marktbetreiber des Blumenmarktes und Mitarbeiter umliegender Geschäfte gehörte er zur vertrauten Umgebung. Sie alle werden ihn sehr vermissen.

Und dann sein Engagement bei den sozialen Stadtführungen „Perspektivwechsel“.

Über zwei Jahre war er ein gefragter Tourguide bei unseren Perspektivwechseltouren. Die Stadtführungen waren genau sein Ding, er hat es geliebt draußen zu sein, Menschen zu treffen und über Obdachlosigkeit zu berichten, um die Situation zu verändern.

Hier erzählte er aus seinem bewegten Leben,  ließ keine ihm gestellte Frage unbeantwortet. Seine Berichte über die eigene Suchterkrankung, das Leben auf der Straße und seinem Weg zurück in die eigene Wohnung erreichten viele Menschen. Gerade Schülerinnen und Schüler waren stark beeindruckt von seiner offenen Art. Oft bekam er Applaus und respektvolle Anerkennung für seine Offenheit.

Gut 3.000 Menschen konnte er bei ca. 150 Touren mit seiner Geschichte erreichen und zum Nachdenken anregen.

Seine Botschaft am Ende der Tour war immer:

„Auch wenn ihr nicht allen Obdachlosen mit Geld oder dem Kauf einer Zeitschrift der Straße helfen könnt, schenkt ihnen ein Lächeln und nehmt sie als Menschen wahr!“

Wir spüren schmerzlich die Lücke, die er hinterlässt. Jetzt heißt es auch für uns – loslassen.

Wir sagen einfach: Danke Daniel (*12.02.1982, †30.11.2024)

Die Teams der Zeitschrift der Straße und
der sozialen Stadtführung Perspektivwechsel

Care Paket spenden zu Weihnachten

Weihnachtszeit ist Spendenzeit

🎄🎁 Am 24. & 25. möchten wir mindestens 150 Care Pakete sammeln, und für Menschen, die von Armut betroffen sind und auf der Straße leben, an den Szenetreffpunkten in Bremen verteilen.

Inhalt

Ihr könnt uns dabei unterstützen! Der Inhalt dieser Care Pakete sollte sich an einem Wert von etwa 15–20 € orientieren und kann wie folgt bestückt werden:

weihnachtliche Süßigkeiten, Gebäck
(kein Kuchen)
Schal, Handschuhe, Mütze
(Strickware, möglichst einfarbig)
Kleine Hygieneartikel
(Duschgel, Seife, Shampoo, Taschentücher, Tampons, Binden)
Päckchen Tabak inkl. Blättchen oder Zigaretten
(beliebt)
persönliche Gruß- oder Weihnachtskarte

Natürlich sind Care Pakete mit geschlechtsspezifischen Inhalten möglich. Wir bitten, die Pakete in jedem Fall mit Geschenkpapier einzupacken und in einer tragbaren Stoff- oder Papiertüte abzugeben.

Abgabe

Die Abgabe erfolgt bis einschließlich zum 20.12.2024 im
📍 Café Papagei
Auf der Brake 2–4
Mo–Fr, 9–15.30 Uhr


Einzelabholungen sind leider nicht möglich.

Wir freuen uns über jede Spende
🫶 Danke 🫶

#122 ACHTERDIEK

Titelfoto: Torsten Schmidt / Foto im Hintergrund: Nora Elbrechtz

EDITORIAL: Gestern noch Stadtrand

Liebe Leser:innen,

die Chancen stehen ganz gut, dass Sie vor dem Blick in dieses Heft noch nie von Achterdiek gehört haben. Bei uns in der Redaktion ging es jedenfalls gleich mehreren Leuten so – und das passiert uns eher selten bei einer Straße dieser Länge. Es kann auch nicht daran liegen, dass hier nichts los wäre. Manchen ist hier sogar viel zu viel los: Entlang der Straße wurden immer neue Wohngebiete und Büroflächen erschlossen, ohne dass sie verkehrstechnisch entlastet wurde. Zu den Anlieger:innen kommen weitere, denen Achterdiek als Schleichweg durch den Bremer Osten dient.

Auf unseren eigenen Touren haben wir uns wie immer nach möglichst unterschiedlichen Geschichten umgesehen – und das auch mit Erfolg. Zum Beispiel haben wir uns beim Blick auf den Golfplatz gefragt, was eigentlich dran ist an den Vorurteilen vom Reiche-Leute-Sport. Und siehe da: Zumindest hier stimmt das gar nicht (S. 8). Mit der Kamera unterwegs waren wir bei der Hundeschule und haben deren vierbeinige Gassi-Azubis bei der Arbeit beobachtet (S. 14). Etwas überrascht waren wir zunächst über die daran anschließende Lisa-Keßler-Straße, vor allem weil wir noch nie von dieser Frau gehört hatten: ein sträfliches Versäumnis, wie wir inzwischen wissen (S. 12).

Wir haben jedenfalls viel gelernt am Achterdiek und sind froh, uns dieser Herausforderung gestellt zu haben. Und das übrigens in sehr kleiner Besetzung, wie Sie auf den kommenden Seiten sehen werden. Was wir auch gleich zum Anlass nehmen, um noch einmal daran zu erinnern: Wir sind eine offene Redaktion und freuen uns immer über neue Gesichter und auf Menschen mit Lust am Schreiben! Denken Sie mal drüber nach – und bis dahin wünschen wir Ihnen wie immer eine spannende Lektüre.

Karolina Meyer-Schilf, Jan-Paul Koopmann
und das Team der Zeitschrift der Straße

Aus dem Inhalt:

GOLFSPIELER SIND DEMÜTIG

Von wegen elitär: Auf dem Golfplatz trifft sich die Mitte der Gesellschaft

Seite 8


Text: Ulrike Plappert / Foto: Torsten Schmidt

ALLE KANNTEN SCHWESTER LISA

Nach Lisa Keßler wurde eine Straße benannt,
aber wer war diese Frau?

Seite 12


Text: Andreas Schweers / Foto: Oberneuland-Sammlung, Bürgerverein Oberneuland-Rockwinkel e. V.

TEAMWORK

Bildstrecke

Seite 14


Fotos: Nora Elbrechtz

SPRECHERIN
DER GUTEN MIKROBEN

Andrea de Moll berät über effektive Mikroorganismen

Seite 18


Text: Andrea Schweers / Fotos: Norbert Schmacke

ACHTERDIEKSEE –
EIN FOTOGRAFISCHES GEWÄSSERPORTRÄT

Unsere Fotografin Beate C. Koehler arbeitet schon lange zu Wasseroberflächen
und hat den Achterdieksee porträtiert

Seite 22


Text & Fotos: Beate C. Koehler

„WOHNUNGSLOSIGKEIT
SOLLTE UNS ALLE WAS ANGEHEN“

Unsere Social-Media-Fachkraft Melis Sivasli
im Gespräch über die Zeitschrift der Straße im Netz

Seite 28


Protokoll: Azra Mahmutagic / Foto: Wolfgang Everding

Ab dem 4. November 2024 bei unseren Verkaufspersonen auf Bremens und Bremer­havens Straßen erhältlich!

Die Verkaufspersonen der Zeitschrift der Straße haben fest zugewiesene Verkaufsplätze. An diesen Standorten können Sie unsere Verkaufenden antreffen:

Vollbildanzeige

Sollten Sie wider Erwarten keine Verkaufsperson antreffen, können Sie Ausgaben in Ausnahmefällen online per Einzelbestellung erwerben. Die aktuellste Ausgabe ist jedoch nur auf der Straße zu erwerben.

Für alle Auswärtigen sowie für Bremer Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kneipen, Cafés, Hotels, Arztpraxen, Frisiersalons, Anwaltskanzleien etc. gibt es die Zeitschrift der Straße übrigens auch im Abo.

AM ENDE DIESER STRASSE

#92 H.-H.-MEIER-ALLEE. In den Kampa-Häusern leben seit Jahrzehnten Geflüchtete immer neuer Kriege und Konflikte. Was für die Behörden eine Übergangslösung ist, nennen andere ihr Zuhause

Beim nachträglichen Zählen beginnt man doch zu staunen: 2, 3, …, 6, 7, 8, …, 17 – mehr als 20 Kinder und Jugendliche sind uns beim Besuch der „Kampa-Häuser“ begegnet. Als wir weggehen, wuseln mindestens zehn der Jüngeren auf dem kleinen Gehweg herum, sprechen uns an und sind so unbefangen neugierig und fröhlich, dass es doch noch kein Tschüss geben kann. Wie alt bist du? Und du? Kannst du von mir ein Foto machen? Von mir auch! Kann ich auch mal ein Foto machen? Und damit geht’s erst so richtig los.

Und obwohl sie nicht lange stehen sollten, sind sie immer noch da. Denn kurz nach ihrer ersten Nutzungsgeneration brachten die kriegerischen Balkan-Konflikte und die Auflösung Jugoslawiens viele Geflüchtete nach Bremen. Sozialbehördensprecher Bernd Schneider erklärt zur weiteren Entwicklung: „Nach zunächst rückläufigen Migrantenzahlen stiegen sie ab 2011 durch die Ereignisse in Syrien wieder an. Seitdem stiegen sie exponentiell – bis zum Höchststand 2015.“ Zahllose Menschen aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern flohen vor Kriegen, Hunger und Zerstörung nach Europa. Die Häuser wurden weiter gebraucht und ihre Standzeit verlängert.

Schauen wir uns ihre Lage in der H.-H.-Meier-Allee näher an: Längs zwischen den Bahngleisen der Linie 6 und der Kleingartenanlage „Kornblume“ liegen die Häuser am Straßenende für sich. Dort steht sonst nichts, weil das Gebiet eigentlich kein Bauland ist. Mit roten Dächern und in freundlichem Gelb, Hellblau und Weiß erinnern die Kampa-Häuser an hübsche Sommerbehausungen. Dabei sind sie winterfest und auf 95 Quadratmetern mit fünf Zimmern, Küche und Bad recht geräumig. Trockenplätze für Wäsche, kleinformatige Terrassen, ein schmaler Gartenstreifen sowie Schuppen gehören dazu. Autofreiheit ist garantiert, denn die Straße endet für Kfz noch vor der Siedlung. Und die große Fahrradmeile nach Horn verläuft auf der anderen Gleisseite. Vor den Häusern gibt es nur den schmalen Fußweg und einen Fahrradweg hinter dem Grünstreifen: ein Kinderparadies.

Wer dort vorübergehend wohnen darf, entscheidet die Sozialbehörde als Eigentümerin. Sie sucht mindestens achtköpfige Familien aus Übergangswohnheimen aus, mit deren Betreuung wiederum die Arbeiterwohlfahrt (AWO) beauftragt wird. Die Wohnerlaubnis ist befristet, zurzeit auf 24 Monate. In Ausnahmefällen verlängert die Behörde zwar, aber Bernd Schneider betont: „Nutzung so kurz wie möglich!“ Denn die Menschen sollen schnellstmöglich „normal“ wohnen, um sich besser integrieren zu können.

An diesem schwülwarmen Spätsommertag möchten wir mehr über das Wohnen dort erfahren. Aufgehängte Wäsche und ein paar Kinder verraten zunächst noch wenig über das Leben hier. Aber vorsichtiges Anklopfen öffnet Türen.

Hier leben Menschen aus verschiedensten Nationalitäten. Wir lernen drei syrische Familien kennen. Die Verständigung ist kein Problem, denn die älteren Kinder sprechen gut Deutsch und übersetzen für die Eltern, wenn es nötig wird. Wie und wo sie das gelernt haben? In der Schule, mit anderen Kindern, draußen. Zur ersten Familie gehören sechs Kinder, in den anderen beiden leben jeweils sieben Töchter und Söhne. Alle wohnen gerne in diesen Häusern, erfahren wir. Wie ist das Leben? Die Zweitälteste ihrer Familie berichtet von ihrem Schulbesuch: Sie steht früh auf, auch wenn die Nächte nicht immer ruhig sind, weil manche [Kinder von nebenan] abends lange draußen bleiben. Die Wohnung aber findet sie: „perfekt!“ Obwohl ihr Vater arbeitet und Geld verdient, wohnt die Familie noch immer hier im Kampa-Haus. Sie suchen bereits seit vier Jahren, finden aber keine andere Wohnung. „Jedes Haus hier hat viele Geschichten“, sagt die 19-jährige Shahed, das älteste von sieben Kindern der [Familie nebenan]. Bevor sie hierherkamen, lebten sie unter beengten Verhältnissen im Übergangswohnheim. Schrecklich sei es dort gewesen, ganz anders als jetzt: „Wir haben hier ein Wohlgefühl!“, sagt Shahed und strahlt. Sie steht vor dem Fachabitur. Danach möchte sie vielleicht Architektin werden, oder jedenfalls erst mal ein Praktikum in dem Bereich machen.

Das ist Welten entfernt vom knappen Bericht, den uns ihr Bruder Aziz über die Zeit zuvor gibt – vor der Zeit in Deutschland: Mit 10 Jahren schlug er sich 2015 aus der Türkei, wohin die Familie geflohen war, über Griechenland nach Deutschland durch: allein, in 15 Tagen. Sein schlimmstes Erlebnis war die furchtbare Überfahrt in einem überfüllten Gummiboot. Er kann sich erinnern, dass er unten lag und bei hohem Seegang immer wieder andere auf ihn fielen. Sein Auge wurde verletzt, aber er schaffte es. In der Bundersrepublik bekam er Hilfe. Als seine Familie zwei Jahre später nachkam, hatte Aziz so viel Deutsch gehört und gesprochen, dass er Arabisch erst wieder üben musste. Auch der heute zwölfjährige Mustafa aus der [Familie nebenan] erinnert sich noch an den Krieg und Stationen der langen Flucht. 2015 hat die Familie Syrien über die Türkei verlassen, wo sie sich drei Jahre lang aufhielt. Mustafas Oma und ein Onkel blieben dort, die anderen leben seit 2018 in Deutschland. Sein Bruder Taim ist vier Jahre alt und stolz, dass er mitt lerweile in die AWO-Kita „Singdrossel“ gehen kann. Die befindet sich in einem der Häuser und ist auch anderen Kindern zugänglich.

Hinter jeder Tür gibt es hier andere Familien- und Fluchtgeschichten zu hören.

Aber die Zeit läuft weiter: In vier Monaten sollen zwei der Familien ihre Wohnung geräumt haben. Nicht nur Mustafa träumt davon, statt dessen bald ein schönes Haus zu finden.

Das derzeit größte Problem aller Familien dort ist wohl, dass ihre Wohnfrist zwar längst abgelaufen ist, sie aber entweder keine Wohnungen finden oder sie dann nicht bekommen. Shahed erzählt, dass sie einmal sehr gerne eine Wohnung von ungefähr 94 Quadratmetern genommen hätt en. „Uns hätte das gereicht, aber die wollen uns nicht.“ Die Wohnung sei zu klein für so eine große Familie. Auch ihre [Nachbar:innen] sind unsicher, wie es weitergeht. Alle haben Angst, ins Wohnheim zurück müssen, wenn sie nichts anderes finden.

Das Problem ist bei der Sozialbehörde grundsätzlich bekannt. Tatsächlich gab es ja auch immer wieder Verlängerungen, was aber naturgemäß nur eine vorübergehende Lösung sein kann. Man versucht es aber an allen möglichen Ecken und Enden: „Seit 2015 vermittelt die AWO jährlich aus sämtlichen Übergangswohnheimen und unterstützt Geflüchtete bei der Wohnraumsuche“, sagt Sprecher Bernd Schneider. Außerdem verweist er auf die AiQ-Beratungsstellen „Ankommen im Quartier“, die es inzwischen in acht Bremer Stadtteilen gibt.

Doch zurück zu den Suchenden am Ende der H.-H.-Meier-Allee: Alle, mit denen wir hier sprachen, haben Unbeschreibliches erlebt. Als Zuhörende können wir nur eine leise Ahnung dieser Lebenswirklichkeit bekommen. Was zum Beispiel bedeutet es für Shaheds Familie, dass das einst schöne und hochkultivierte ar-Raqqa mit seinen 8.000 Jahre alten Siedlungswurzeln heute zu 80 Prozent zerstört ist? Dass zivilisiertes Leben dort kaum mehr existiert? Shahed ist eine von vielen, die in ihr Land zurückkehren wollen. Sie möchte in Deutschland etwas lernen, womit sie dann beim Wiederaufbau ihrer Stadt helfen kann. Auch dazu muss sie hier wohnen können.

Natürlich müssen sie Kompromisse eingehen und sich anpassen. Das beginnt bereits beim neuen Nachnamen, der dieser Familie auf dem Irrweg hierher sozusagen zugefallen ist. „Wir heißen jetzt K. mit Nachnamen. Aber das ist eigentlich nicht unser Name“, sagt Shahed, „doch jetzt heißen wir so.“ Wie kam das? Auf dem langen Weg nach Deutschland hat man den Namen dieser Familie mit dem einer anderen vertauscht. Die Familie nimmt es gelassen, sie haben Schlimmeres erlebt. Nur haben sie jetzt Schwierigkeiten, entferntere Verwandte besuchen zu dürfen, weil diese sie wegen des Namens nicht mehr Verwandte nennen. „Wenn wir von Familie sprechen, meinen wir mehr Menschen, als man hier meint. Nicht nur die Eltern und Kinder. Auch die Großeltern, Tanten und Onkel“, erklärt Shahed. In ar-Raqqa haben sie noch mit vielen in einem großen Haus gewohnt.

Text: Ulrike Plappert
Nach ihrem Besuch in den Kampa-Häusern sagt sie: „Wir schaffen das“ ist wesentlich komplexer als gedacht. Sie dankt den Familien für ihre Offenheit.

#121 CONTRESCARPE

Titelfoto: Wolfgang Everding / Foto im Hintergrund: Kim Mayer

EDITORIAL: Ins grüne Herz der Stadt

Liebe Leser:innen,

Bremen hat 4.455 Straßen, Wege und Plätze. Nicht alle sind so berühmt wie die Böttcherstraße, deren Name eine richtige Marke im touristischen Portfolio des Stadtstaates ist. Wo hingegen etwa Kribiweg oder Korbweide liegen, müssten Sie wahrscheinlich erst mal erklären, wenn Sie sich dort verabreden wollten. Mit der Contrescarpe, um die sich unsere aktuelle Ausgabe dreht, ist es kompliziert.

Im Uniseminar, dem Sie und wir dieses Heft verdanken, war der Name zumindest ein Begriff, den genauen Verlauf allerdings hatten wir auch nach mehreren Wochen noch nicht so hundertprozentig drauf, weil die Straße zwischen Hauptbahnhof und Altstadt zwar ziemlich prominent liegt, hier aber doch eigenwillige Wege einschlägt. Die meisten reden ohnehin eher von „den Wallanlagen“ und diesem „Zickzackweg“ am Ufer des alten Stadtgrabens. Und eben hier waren die Studierenden nun unterwegs und haben zwischen viel Geschichte nach Geschichten gesucht, die es zu erzählen gilt.

Und sie haben auch welche gefunden, wie etwa beim Teppichhändler Abnussi, dessen wohl bestes Geschäft wirtschaftlich eher ein Rückschlag war (S. 20). Hier in der Gegend haben wir auch den „Bremer Banksy“ getroffen, dessen illegal aufgestellte Bronzeskulptur eines Wohnungslosen mit Einkaufswagen für bundesweite Schlagzeilen gesorgt hat (S. 24). Im Restaurant Greta’s wiederum haben wir gelernt, dass Genuss und Gesundheit einander nicht zwangsläufig widersprechen müssen (S. 8). Und noch einiges mehr. Für uns hat sich der Ausflug ins gründe Herz der Stadt jedenfalls gelohnt – so wie der Erwerb dieser Ausgabe sich hoffentlich auch für Sie lohnen wird.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

Jan-Paul Koopmann, Karolina Meyer-Schilf, das Medienpraxis-Seminar
der Uni Bremen und das Team der Zeitschrift der Straße

Aus dem Inhalt:

WIE SCHMECKT DAS GLÜCK?

Ein Besuch im Greta’s, wo Genuss und Gesundheit zusammengedacht werden

Seite 8


Text: Emily Lucas / Foto: Wolfgang Everding

RUND UM DIE UHR

Die Wahrnehmung der Contrescarpe hängt stark
von der jeweiligen Tageszeit ab

Seite 12


Texte: Leonie Bartelt, Emilia Kloth & Pia Schellenberger / Foto: Franc-Eric Bernhard

HINGABE, GEDULD UND EIN BISSCHEN MAGIE

Bildstrecke

Seite 14


Text & Fotos: Kim Mayer

DER TEPPICH VON HERRN ABNUSSI

Einzelhandel ist ein sehr nüchternes Wort,
hinter dem sich hier eine Art Märchen verbirgt

Seite 20


Text: Julius Kreuter / Foto: Wolfgang Everding

BEIM BREMER BANKSY

Wir haben den anonymen Schöpfer des Wohnungslosen aus Bronze getroffen

Seite 24


Text & Fotos: Ylva Brinker, Lisann Prüss & Marie Schlag

„JETZT FÜHLE ICH EINEN SINN IN DEM, WAS ICH TUE“

Unser ehemaliger Verkäufer Marc hat die Seiten
gewechselt und ist heute Streetworkhelfer

Seite 28


Protokoll: Justus Köhler / Foto: Torsten Schmidt

Ab 7. Oktober 2024 bei unseren Verkaufspersonen auf Bremens und Bremer­havens Straßen erhältlich!

Die Verkaufspersonen der Zeitschrift der Straße haben fest zugewiesene Verkaufsplätze. An diesen Standorten können Sie unsere Verkaufenden antreffen:

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Sollten Sie wider Erwarten keine Verkaufsperson antreffen, können Sie Ausgaben in Ausnahmefällen online per Einzelbestellung erwerben. Die aktuellste Ausgabe ist jedoch nur auf der Straße zu erwerben.

Für alle Auswärtigen sowie für Bremer Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kneipen, Cafés, Hotels, Arztpraxen, Frisiersalons, Anwaltskanzleien etc. gibt es die Zeitschrift der Straße übrigens auch im Abo.

„KAFFEE? MILCH? ZUCKER?“

#50 DIE STRASSE. Eine Runde durch die Bahnhofsvorstadt mit [Martin], der durch einen Ein-Euro-Job zum Streetworker wurde

Der letzte Dienstag im Mai 2017, ein sonniger Morgen. Menschen hasten auf dem Vorplatz des Bremer Hauptbahnhofs zur Arbeit. Mitten unter ihnen ist [Martin], 44. Sein Gang ist fest, aber nicht überaus schnell. Sowieso ist er etwas ruhiger und in sich gekehrt. Alleinunterhalter wird er in diesem Leben nicht mehr, das steht fest.

Sein Ziel ist das Café Papagei, unweit der Bremer Discomeile. Kurz nach neun Uhr steht er an der Theke und bestellt wie jeden Tag eine kleine Cola.

Danach ein kurzer Schnack mit Gästen des Cafés und seinen Kollegen [Jörg] und [Jonas]. Dabei dreht er sich eine Zigarette. [Martin] erfährt, dass er heute allein „seine Runde machen“ muss. Er gehört seit zehn Monaten zum Team der Streetworker der Inneren Mission. Als Ein-Euro-Jobber ist er, wie schon sein Kollege [Jörg], zum Team gestoßen.

Um halb zehn wird er unruhig, sein Dienst auf dem Bahnhofsvorplatz beginnt. Er stopft vier Thermoskannen Kaffee in den Rucksack. Kurze Kontrolle, ob er auch an alles gedacht hat, dann macht er sich auf den Weg. Sein erster Kunde lässt nicht allzu lange auf sich warten, [Martin] schenkt den ersten Kaffee aus. Da [Martin] bis vor ein paar Monaten sehr zurückgezogen gelebt hatte, musste er erst lernen, wie man sich auf der Straße verhält. Vor dem Hauptbahnhof wird er das erste Mal von einem Mann erkannt, der auf der Straße lebt. Bei einem kurzen Plausch werden die Neuigkeiten des Tages ausgetauscht: Ein Obdachloser ist am Vorabend ins Krankenhaus gekommen. [Martin] kennt ihn, er fragt: „Was ist mit seinem Hund?“ „Der ist bei einer Freundin“, die Antwort beruhigt ihn. [Martin] hat selbst einen Hund: Spike, ein Husky.

Auf dem Weg durch den Bahnhof zur Bürgerweide geht [Martin] das Schicksal des Obdachlosen nicht aus dem Kopf. Vermutlich muss er das Krankenhaus nach drei Tagen schon wieder verlassen:

„Der ist nämlich nicht krankenversichert. Dann werden die ihn nicht so lange dabehalten. Ich denke ja manchmal, mir geht es beschissen, aber wenn ich das hier dann alles sehe … Auch wenn ich so meine Probleme habe, dagegen geht es mir richtig gut.“ Auf der Straße gelebt hat er nie, aber durch Schicksalsschläge vor vielen Jahren ist sein Leben nicht gerade ideal verlaufen. „Zwar habe ich keinen Job gelernt, aber damals immer gearbeitet. Gabelstapler bin ich viel gefahren und im Lager habe ich gearbeitet, hatte ein Auto und alles!“ Genauer möchte [Martin] seine Geschichte nicht erzählen.

Auf der Bürgerweide angekommen, schallt es ihm aus einer kleinen Gruppe schon entgegen: „Moin Maddin! Wie immer, pünktlich auf die Minute, da kannst du die Uhr nach stellen.“ Die sechs Männer sind fast immer hier, sie fiebern dem kostenlosen Kaffee entgegen. Martins erste Thermoskanne ist leer, und etwa zehn Minuten später geht es weiter durch den Nelson-Mandela-Park. Eigentlich wollte [Martin] den Job gar nicht. „Aber Jonas (Streetworker der Inneren Mission, Anmerkung der Redaktion) hat immer genervt, und irgendwann habe ich dann zugestimmt. Der Job gibt meinem Tag Struktur und ich habe was zu tun.“ [Martins] Job umfasst die tägliche „Kaffeerunde“ und Helfertätigkeiten. Aber er ist auch nicht selten erste Anlaufstelle bei Problemen, gerade wenn er wie heute allein und nicht mit [Jonas] unterwegs ist.

Im Park ist nicht viel los. Beim Elefanten sitzen zwei Frauen auf einer Parkbank. Die jüngere der beiden ist von zu Hause ausgerissen.

Einen Kaffee möchten sie nicht, aber einen Rat: „Mit meinem Vater gibt es Stress zu Hause und ich will nicht wieder dahin zurück. Wo kann ich mich melden, wer kann mir helfen?“ „In deiner Situation: Geh mal am Besten ins Café Papagei. Da sind Menschen, die dir helfen können, die haben Ahnung.“

[Martin] ist nun eine Stunde unterwegs und gönnt sich eine Zigarette auf einer der Bänke. Eine kurze Pause. Danach geht es durch den Bahnhof zurück in die Stadt. Auf den Wegen in der Bahnhofsvorstadt leert sich die zweite Kanne. Auch in den Wallanlagen wird er schon erwartet. Die Gespräche an den Treffpunkten scheinen sich zu wiederholen, so wie die immer gleichen Fragen:

„Kaffee? Milch? Zucker?“ [Martin] ist einfach kein Mann der vielen Worte und eigentlich kennt er die Gewohnheiten seiner Stammkunden. „Schwarz wie die Nacht, schwarz wie meine Seele! Das weißt du doch, Maddin!“, sagt ein komplett schwarz gekleideter Mann nahe der Mühle.

Die anschließende Runde durch die Sögestraße, über den Domshof und zurück durch die Obernstraße ist heute schnell erledigt. Es ist wenig los, und inzwischen ist es warm geworden. Die letzte Kanne ist fast leer.

[Martin] wohnt in Gröpelingen und wenn er heute Abend zu seinem Hund nach Hause kommt, beginnt die andere Hälfte seines Alltages. Die ruhigen Abende und Wochenenden verbringt er dann mit Spike. Seine Fotos haben deshalb nichts mit seinem Job als Streetworker zu tun. „Ich liebe Schiffe, den Hafen, das Maritime. Meine Mutter war lange mit einem Seemann liiert, daher kommt das wohl.“ Angeln gehört dabei zu seinen liebsten Hobbys, stundenlang gibt er dann keinen Ton von sich. Denn eigentlich ist er ja nicht gerne unter Menschen. Trotzdem wird er auch morgen früh wieder pünktlich um neun Uhr seine Cola im Café Papagei bestellen.

Text: Sebastian Voss
ist derzeit selbst von Wohnungslosigkeit betroffen und hält den „Fidget Spinner“ für eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit

Fotos: Martin
ursprünglich veröffentlicht im
Juli 2017