Month: März 2015

#26 WALFISCHHOF

EDITORIAL: AUSSEN GRAU, INNEN BUNT Kein Baum, kein Busch am Straßenrand, Gewerbebauten, so weit man blickt – der südöstliche Winkel der Überseestadt gleicht einer Einöde. Unsere AutorInnen und Fotografinnen ließen sich davon nicht entmutigen. Im Walfischhof und in der Baumstraße klopften sie an Türen und Tore und haben dahinter eine ganz wunderbar bunte Mischung von Menschen entdeckt. Wilma Schneider etwa, 84, hat beinahe ihr gesamtes Leben in der Baumstraße verbracht. Als Kind fuhr sie per Anhalter noch auf Pferdekutschen in den Hafen. Nach dem Krieg erlebte sie, wie Lastwagen die Pferde verdrängten und aus dem Villenviertel um den Walfischhof – das als Schwachhausen des Westens galt – ein Gewerbegebiet wurde (S. 8). Genau gegenüber von Frau Schneiders Haus betreibt August Smisl, zwei Meter groß, 125 Kilo schwer, ein hochmodernes Fitnessstudio. Statt über den Weg zum perfekten Körper sprach er mit der Zeitschrift der Straße über seine ganz persönlichen wunden Punkte (S. 22). Diese und drei weitere Geschichten haben unsere AutorInnen für dieses Heft und für unsere Website aufgeschrieben. Viel Spaß beim Lesen wünschen ist das …

LOGO ALS ZEICHEN FÜR TOLERANZ

Das Logo der Zeitschrift der Straße, was stellt es dar? Abstrakte Grafik? Oder 7. auf dem Kopf stehend mit einer römischen II auf der Seite liegend („7. Februar“)? Oder ein stilisiertes Z und ein Gleichheitszeichen („Die Zeitschrift setzt sich für Gleichheit ein“)? Oder ein stilisiertes Z über Fahrbahnbegrenzungen („Zeitschrift + Straße“)? Oder ein Gesicht mit Auge, Nase und Mund („Die Zeitschrift zeigt das Gesicht der Straße“)? Oder die Bremer Stadtmusikanten mit Punkt = Hahn, Winkel = Katzenbuckel und zwei Strichen = Hund und Esel? Dies und mehr haben Menschen im Logo der Zeitschrift der Straße schon gesehen. Auch der Designer unseres Logos, Glen Swart, mochte sich nicht auf eine einzige Deutung festlegen, wie seine Skizzen zeigen. Vielmehr spielte er mit Bedeutungsverschiebungen, indem er das Logo unterschiedlichen Kontexten aussetzte (siehe unten). Mehrdeutigkeit ist wohl eine der Stärken des Symbols, das seit Anfang 2015 die Titelseite jeder Ausgabe ziert. Unsere studentischen Redakteurinnen und Redakteure müssen mit Mehrdeutigkeit umgehen, wenn sie über Straßen und Orte recherchieren und Beobachtungen, Erlebnisse und Begegnungen in Artikeln und Bildern verarbeiten. Und Mehrdeutigkeit …

DRIVE-BY AM DELMEMARKT

Vor einigen Wochen hatte ich ein super Erlebnis: Ich stand am Delmemarkt in der Neustadt vorm Rewe, da rief mich eine Frau aus ihrem Auto zu sich und bat mich, ihr die Zeitung zu verkaufen. Ein richtiger Drive-by, das war witzig. Selbst der Marktinhaber, der das zufällig mitbekommen hat, hat sich kaputt gelacht. Solche Momente sind es, die das Verkaufen so nett machen. Es passiert einfach immer etwas, das man nicht erwartet hätte. Außerdem zeigen mit meine Kunden, dass es ihnen Spass macht, bei mir zu kaufen. Manche bestellen sogar ältere Ausgaben und holen sie dann einige Tage später bei mir ab. Das ist doch mal ein Servcie, oder?Es ist auch schön zu sehen, dass sich die neuen Ausgaben recht gut verkaufen. Das hatte ich gehofft. Mir gefällt es auch, dass es jetzt ein Bild gibt auf dem Cover – auch wenn man natürlich diskutieren kann, ob man das jeweilige Foto nun gut findet oder nicht. Die vergangenen Tage konnte ich leider nicht verkaufen. Ich war ich im Krankenhaus, wieder wegen meines entzündeten Fußes. Eine …

WER BRAUCHT SCHON RUHE ZUM LERNEN?

#26 WALFISCHHOF – 100 Dezibel drücken auf die Ohren, wenn angehende Schlagzeuglehrer ihr Spiel verfeinern. Wer braucht schon Ruhe zum Lernen? Ein Besuch im Trommelwerk Bremen.   Ein langer schmaler Gang, Tür reiht sich an Tür, am Ende ein Konzertsaal. Pearls, Premiers und jede Menge Sonors stehen im Raum, vier Drummer setzen sich breitbeinig hinter die Schlagzeuge. „So, ohne dass wir nervös werden: den A-Teil mit Besen und dann Stickwechsel auf B“, sagt Stefan Ulrich, genannt Steff. Er unterrichtet Jazz für angehende Schlagzeuglehrer, seine Studenten sollen den Wechsel zwischen Drumsticks und Jazzbesen üben. Eine knifflige Koordinationsübung: Wohin mit dem überzähligen Stick? Der Trommelwerk-Schüler Daniel Schneiker sucht noch eine geeignete Ablage. „Man kann den anderen Stick super untern Arsch oder untern Arm klemmen“, rät Steff. Daniel nimmt den Hintern, los geht‘s. Den Besen in der linken Hand, streichelt er über das Fell der Snaredrum, rechts bringt der Stick Becken zum Scheppern, die Bassdrum wummert. Wechsel! Daniel legt den Besen in behutsamer Eile auf die große Trommel, zieht den zweiten Stick hervor und findet den verlorenen Takt …