EDITORIAL: Aufwachsen, ankommen
Liebe Leserinnen und Leser,
unsere Recherchen zur Straße Upper Borg in Borgfeld führten uns dieses Mal tief in die Vergangenheit. Gleich in drei Geschichten widmen wir uns dem Leben im Borgfeld der Nachkriegsjahre: Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden hier viele Flüchtlinge aus ehemalig deutschen Gebieten in Osteuropa ein Zuhause, die meisten von ihnen LandwirtInnen. Wir sprachen mit drei BewohnerInnen über ihre Erlebnisse – über Spiele zwischen Bauernhöfen und Feldern, das Leben von Mensch und Tier unter einem Dach, über Inklusion und Vorurteile und Reparaturdienste an der gemeinsam genutzten Straße, die anfangs nicht viel mehr war als ein Schlackenweg mit Schlaglöchern war (Seite 8, 10 und 24).
Mit Problemen der Akzeptanz kämpft auch der Leiter des Kaisenstiftes, Frank Drescher – allerdings im Hier und Jetzt. Im Kaisenstift werden schwer behinderte und sozial auffällige Kinder betreut. Einige von ihnen können seit Jahren nicht oder nur unregelmäßig zur Schule gehen – obwohl Bremen sich seiner Vorbildrolle im Bereich der schulischen Integration rühmt (Seite 12). In die Zukunft gerichtet hingegen ist die Arbeit von Sören Prüser. Er verkauft Weihnachtsbäume – und muss diese jahrelang hegen und pflegen, bis er sie verkauft. Wir haben ihn für unsere Bildstrecke gefragt: Was macht er eigentlich, wenn nicht Weihnachten ist (Seite 14 )?
Nach innen schaut dagegen der Unternehmensberater Ralf Besser. Er hat eine Stiftung gegründet, die unser Nachdenken über Werte fördern soll (Seite 20).
Viel Vergnügen beim Lesen wünschen
Jan Zier, Tanja Krämer und das Team der Zeitschrift der Straße
Aus dem Inhalt:
08 Wo auch Kaisen einst lebte
Vertriebene LandwirtInnen fanden nach dem Krieg in Borgfeld eine neue Heimat. Das Verhältnis zu den Einheimischen war zunächst schwierig
10 „Sie nannten mich Milch-Kothe“ (online lesen)
Diedrich Kothe kannte Upper Borg schon, als die Straße nur ein Schlackenweg war und für den Bundespräsidenten schnell ausgebessert wurde
12 Ein Ort für jene, die übrig bleiben
Der Bremer Senat sieht sich bei der Inklusion noch immer als bundesweites Vorbild. Doch die Praxis sieht oft ganz anders aus, sagt Frank Drescher vom Kaisenstift in Borgfeld
14 Das Geschäft mit den Tannen
Bildstrecke: Zur Weihnachtszeit werden in Deutschland rund 25 Millionen Tannenbäume verkauft . Aber was macht ein Weihnachtsbaumhändler den Rest des Jahres?
20 „Verwirrung ist ein guter Start“
Der Unternehmensberater Ralf Besser hat eine Stiftung zur Wertereflexion gegründet. Was treibt ihn an?
24 „Wenn der Wind pfiff, war es nicht so idyllisch“
Stephan Packheiser ist in der Straße Upper Borg aufgewachsen, später kehrte er hierher zurück. Ein Gespräch über die Integration von Geflüchteten, prominente Nachbarn und SUVs
28 „Ich will keinen anderen Job machen“
Michel „Mitsh“ Farkas verkauft seit knapp zehn Jahren die Zeitschrift der Straße. Ein Gespräch mit einem leidenschaftlichen Musiker und ehemaligen Staubsaugervertreter, der bald seine Memoiren aufzeichnen will