#96 KONSUL-SMIDT-STRASSE – Evrim Arslan wollte ein kleines Restaurant, so was wie einen Tante-Emma-Laden ohne viel Stress und Hype. Geklappt hat immerhin das Erstere
Im Laden von Evrim Arslan trifft traditionelle türkische Küche auf moderne Einflüsse. So findet man zum Beispiel einen Spinatsalat mit Mandeln und Datteln auf der Karte: eine Kombination, die zwar ungewöhnlich klingt, aber wirklich extrem gut funktioniert. Evrim ist mit ihrem Laden vor gut fünf Jahren in die Konsul-Smidt-Straße gezogen. Wir haben sie dort besucht.
Olivenöl, Zitrone, Knoblauch, Kräuter. Das sind die Gerüche, die einem als Erstes in die Nase steigen, wenn man Evrims Laden „Meze by Evrim“ betritt. Die Inneneinrichtung ist, genau wie das Essen, ein Mix aus Tradition und Modernität. Und was den Laden noch einmal besonders abhebt, ist die spezielle Art von Essen: die Meze. Das sind kleine Portionen unterschiedlicher Vor- speisen, vergleichbar mit spanischen Tapas. So kann man sich mittags seinen eigenen Teller aus verschiedenen, regelmäßig wechselnden Meze zusammenstellen und bezahlt dabei nach Anzahl der Portionen. Und: Wer seine eigene Verpackung mit- bringt, bekommt eine Meze umsonst.
Das kommt besonders denen entgegen, die sich hier in ihrer Pause ihr Mittagessen holen. Denn wer aufgrund der Lage davon ausgeht, dass bei Evrim nur schicke Geschäftsleute essen, der irrt sich: „Ich bemerke, dass es eher junge Leute sind. Ich vermute mal, das sind mehr die Auszubildenden, deswegen haben wir unsere Preise auch lange so gelassen und erst zum Jahreswechsel das erste Mal etwas erhöht. Ich wollte beim Mittagstisch immer unter der Zehn-Euro-Grenze bleiben, da sind wir immer noch weit drunter. Wir kommen den Leuten ja auch gerne entgegen, zum Beispiel mit der Gratis-Meze beim eigenen Teller.“
Die Leidenschaft zum Kochen beginnt bei Evrim bereits als Kind, als sie und ihre Zwillings- schwester aufgrund zweier arbeitender Elternteile oft selbst für ihr Mittagessen sorgen. „Mit 15 habe ich dann schon den traditionellen türkischen Reis gekocht. Also ich habe wirklich immer schon gekocht. Und auch immer sehr gerne.“ Mit 24 führen einige Zufälle dazu, dass Evrim anfängt, auch beruflich zu kochen. Nach der Trennung von ihrem Mann sucht sie nach einer Möglichkeit, für ihre zwei Kinder sorgen zu können. Über eine Freundin kommt sie als Putzkraft zu einer Firma in Huchting. Dort hört sie, dass die Firmenkantine schließen muss: „Die haben keinen gefunden, der da kochen wollte. Also hab ich gesagt, dann versuch ich’s. Und dann war ich von 2006 bis 2011 da und habe gekocht.“ Danach übernimmt Evrim die Leitung der Pressekantine des Weser-Kuriers.
„Nach zwei Jahren wurde das aber etwas langweilig – nur Kantine ist einfach eintönig.“ Als sie nach Bremen zog, habe ihr damaliger Freund sie dann auf einen freien Laden aufmerksam gemacht: Richard-Wagner-Straße, Ecke Hollerallee. „Er hat gesagt: ‚Du kannst so gut kochen, mach doch einfach einen kleinen Laden auf, so als Ausgleich.‘ Ich wollte auch nie groß werden, ich wollte so einen kleinen Tante-Emma-Laden.“ Aber nach zwei, drei Jahren wurde es dann doch immer mehr: mehr Catering, mehr Veranstaltungen. Ihr Vorgänger hier in der Überseestadt habe sie gefragt, ob sie die Fläche nicht übernehmen wolle. Ihr Konzept passe doch gut in die Überseestadt. Und: „Dann hab ich hier aufgemacht. Das war mir allerdings wieder zu viel, also habe ich den Standort in der Hollerallee abgegeben. Jetzt habe ich den Laden hier und mache nach wie vor die Pressekantine beim Weser-Kurier. Das reicht mir insgesamt auch. Wir machen ja auch viele Veranstaltungen, zum Beispiel im Pier 2, da haben wir schon für viele Konzerte das Catering gemacht.“
Dass sich der Standortwechsel vom alteingesessenen Schwachhausen in die gerade erst entstehende Überseestadt auch auf die Kundschaft auswirkt, hat Evrim schnell gemerkt: „Hier ist es eben noch nicht so nachbarschaftlich und ein- gewohnt wie in Schwachhausen. Wir haben zum Glück viel Stammkundschaft aus der Hollerallee, die kommen dann manchmal mit dem Fahrrad hierher. Mittlerweile haben wir natürlich auch hier Stammkunden, aber generell sind die meisten hier schon ganz anders als am alten Standort. Am Anfang war ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht. Die Leute hier sind irgendwie etwas unpersönlicher. An der Hollerallee wollten die meisten auch ein bisschen schnacken, wenn sie da waren, das ist hier eher selten. Aber wir haben bisher auch nur mittags geöffnet. Da kommen eben meist nur diejenigen, die nicht so viel Zeit haben, das verstehe ich dann ja auch. Deshalb haben wir ab diesem Frühjahr von Donnerstag bis Samstag auch abends geöffnet, da kann man dann hier auf der Terrasse sitzen.“ Außerdem hat Evrim kurz vor Pandemie- beginn damit angefangen, Tanzabende mit DJ in ihrem Laden zu veranstalten. Vieles musste in den letzten zwei Jahren abgesagt werden, soll dieses Jahr aber nachgeholt werden.
Und dass ein Sommerabend auf der Terrasse, mit Blick auf den Europahafen, bei Getränken und Meze, auch dort, in einem so jungen und eigentlich eher „unbremischen“ Stadtteil wie der Überseestadt, den gleichen Bremer Flair wie ein Abend an der Schlachte haben kann, ist sehr gut vorstellbar.
Text und Recherche: Annika Schöll
Fotos: Wolfgang Everding