#49 REMBERTIRING – Das Café Papagei hat einen Chefkoch: Randy Ziegler. Dabei wäre er beinahe zu spät gekommen. Er ist angetreten, Gerichte für 2,50 Euro zu kochen – frisch, regional und lecker
Er wollte nur seine Post abholen, hier im Café Papagei, und Bewerbungsunterlagen hatte er auch keine dabei. Dafür war auch keine Zeit mehr. Randy Ziegler kam noch gerade rechtzeitig, um sich aus dem Stegreif auf die Stelle zu bewerben – ein Koch wurde gesucht, für das Café Papagei auf der Brake. Am 1. Mai sollte das neue Projekt starten, gefördert von ProJob, einer Tochtergesellschaft der Inneren Mission.
Auf die Frage, ob er hier der neue Küchenchef sei, streicht sich Randy Ziegler über den Bart, grinst breit und antwortet er in einem dezent pfälzischen Dialekt: „Ja, ich sehe zwar nicht so aus, aber der bin ich.“ Er ist in Pirmasens geboren und mit 32 Jahren „im besten Alter“ für den Job, wie er findet. Als gelernter Koch und Hotelfachmann tingelte er zuvor durch die ganze Welt, arbeitete unter anderem in Vietnam, Kroatien, in der Abgeschiedenheit einer Almhütte und auf Norderney. In Bremen will er vorerst bleiben.
Im Café Papagei sei vor allem Hausmannskost gefragt, sagt Ziegler. Dabei will er auf Nachhaltigkeit und regionale Produkte setzen. Neben dem jetzigen Lieferanten will er deshalb ein, zwei weitere engagieren. Ziegler, der auch mal Nachforschungen über seine Zutaten anstellt, war schon Küchenchef im Viertel und kennt daher den richtigen Gemüsehändler am Hulsberg, und einen Hof, von dem er frische Eier beziehen will, hat er ebenfalls an der Hand. Stimmt die Kalkulation, dann wird das Fleisch beim Schlachter eingekauft. Mit 2,50 Euro pro Gericht ließe sich schon viel machen, sagt Ziegler – „frisch, regional, saisonal und lecker“ soll es sein. Gewinn will er keinen machen, nur eben kostendeckend arbeiten. Zertifizierte Bioware ist da nicht drin, wohl aber solche in „vergleichbarer Qualität“, sagt Ziegler. Zur Not lasse sich da auch immer noch verhandeln, Spielraum gebe es immer. Und wenn Zeit ist, will er auch selbst beim Erzeuger vorbeischauen.
Als er Ende März – da hat er noch keine eigene Wohnung und also keine Anschrift – seine Briefe von der Poststelle holen will, überlegt er sich kurzerhand, eben noch im Büro von „ProJob“ vorbeizuschauen. Der Frau dort „ist beinahe die Kinnlade runtergefallen“. Zwei Stunden zuvor bekam sie die Nachricht, dass der zunächst ausgesuchte Küchenchef seine Stelle nicht antreten wolle. Randy Ziegler kann auch ohne Zeugnisse und Papiere von sich überzeugen und wird sofort eingestellt. Zwei Tage später beginnt das Projekt.
Im Café Papagei werden dem neuen Küchenchef acht weitere Köche und Beiköche zur Seite stehen. Sie alle waren zuvor langzeitarbeitslos und wurden über ein Programm zur sozialen Teilhabe gefördert, in Kooperation mit dem Jobcenter. „Das ist eine coole Challenge“, sagt Ziegler, das sei eben nicht wie mit normalen Auszubildenden oder Köchen. Hier müsse das Team verstärkt angeleitet, Hilfsköche erst einmal ausgebildet werden. Das als Integrationsmaßnahme geplante Projekt soll am Ende eine Perspektive für bisher erwerbslose Menschen schaffen. Damit das läuft, will der Küchenchef reichlich motivieren, die Angestellten sollen nicht an zu langer Leine, aber auch nicht an zu kurzer Leine gelassen werden.
Sein Speiseplan sei für jeden zu bewältigen, sagt der Küchenchef. „Spätestens im Juni wird das alles rundlaufen“. Bisher kommen etwa 20 Gäste zum Mittagessen ins Café Papagei, 50 sollen es werden. Wenn erst einmal draußen die Fassade renoviert ist und die neuen Gerichte an den Mann gehen, soll jeder hier einkehren wollen. Das ist Zieglers Ziel. Und er will jenen Menschen eine frische und gesunde Mahlzeit bieten, für die sie oftmals die einzige am Tag bleibt. Er will das Café Papagei für jeden öffnen und Menschen zusammenbringen, die sonst vielleicht nicht zusammenkommen würden. Jeder soll sich durch Matjes nach Hausfrauenart mit Salzkartoffeln, durch Schweinebraten mit Schwenkkartoffeln und gemischtem Gemüse, durch Bremer Knipp oder Putenschnitzel in Champignonrahmsauce mit hausgemachten Spätzle im Café Papagei verwöhnen lassen wollen. Und dies: nach wie vor für 2,50 Euro.
Text: Mareike Harms
Foto: Benjamin Eichler