Month: Juli 2024

EIN SCHNACK MIT ALEXANDER

#33 FALKENSTRASSE. Eine Einladung führte ihn nach Bremen, wo er seit acht Jahren auf der Straße lebt Wie man leicht hören kann, komme ich aus dem Rheinland, genauer gesagt aus Köln. Dort habe ich die ersten 25 Jahre meines Lebens gelebt. „Gewohnt“ kann man nicht unbedingt sagen, denn seit meinem 17. Lebensjahr lebe ich auf der Straße. Damals bin ich bei meiner Mutter rausgeflogen, wir hatten uns ständig in den Haaren wegen des Kiffens und des Alkohols. Irgendwann hat es geknallt und ich stand auf der Straße. Zu meinem Vater konnte ich nicht, den hatte ich nie kennengelernt. Also bin ich umhergezogen, habe im ständigen Wechsel bei Freunden gewohnt oder eben auf der Straße gelebt. Nach der Sonderschule habe ich eine Lehre als Maler und Lackierer angefangen. Nach eineinhalb Jahren habe ich aber abgebrochen und mich stattdessen mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Als meine Alkoholprobleme immer heftiger wurden, habe ich eine Therapie gemacht und auch durchgezogen. Danach bin ich weg aus Köln, ich brauchte dringend einen Tapetenwechsel. Nach Bremen kam ich dann aus Zufall, ich …

„DAS EINZIGE WAS MICH HIER HÄLT,
IST DIE ERDANZIEHUNGSKRAFT“

#111 SCHARNHORST­STRASSE. Kurz nach seinem 50. Geburtstag betrachtet unser Verkäufer Marco sein Leben. Er hat noch viel vor in den nächsten Jahren Es ist ein regnerischer Samstagvormittag in der Findorffer Hemmstraße, eine von Marcos vielen Heimaten. Wir flüchten erst mal ins Trockene. Mit Blick auf die Martin-Luther-Kirche beginnt er über eine heiße Schokolade hinweg zu erzählen. Auf seine Geburt in Wittenberg folgt eine Kindheit im Berliner Osten: Endstation S1, Oranienburg. Diese Zeit prägt ihn, das Leben in der DDR fühlt sich nach Gefangenschaft an. Es hat zwar alles seine Ordnung, aber Marco will wissen, was hinter der Mauer passiert. Im Geografieunterricht der fünften Klasse wird ihm eine Weltkarte gezeigt. Er bereist Hauptstädte mit dem Finger, die für ihn nur Punkte hinter der Grenze sind, welche nicht zu überwinden scheinen. Dann endlich Neuland. Kurz vor dem Mauerfall flieht die Familie per Trabant über Österreich und Ungarn schließlich nach Bremen. Damals ist Marco 17. Sein Berlinern wird schnell zum „sauberen Bremer Hochdeutsch“, Marco kommt an, aber irgendwie doch nie so ganz. Nach dem Abitur überwältigt ihn das Lebensgefühl …