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#95 BULTHAUPTSTRASSE

EDITORIAL: SCHÖNHEIT BESTEHT Liebe Leserinnen und Leser, so richtig en vogue ist es ja eigentlich nicht mehr, derartig hemmungs- los im Jugendstil zu schwelgen. Man kommt so leicht in den Ruch des Bourgeoisen. Dabei ist der Jugendstil eigentlich eine konsumkritische Reformbewegung gewesen, die sich mit ihren verspielten Dekoren gerade gegen die prekär hergestellte Massenware wandte. Nun war Schönheit noch nie eine billige Angelegenheit, das ist der Haken daran. Aber lassen Sie uns unseren Spaß – und haben Sie selbst welchen, während Sie diese Ausgabe durchblättern. Kommen Sie mit in ein liebevoll saniertes Altbremer Haus und erfahren Sie mehr darüber, was eigentlich Denkmalschutz bedeutet: Nämlich nicht nur Lust, sondern durchaus auch Last (S. 8). Eine der schönsten Pointen der Bremer Baugeschichte ist im Übrigen diese: Die Firma J. H. Fuhrken hat nicht nur der Bulthauptstraße einst ihren Stempel aufgedrückt. Die Firma gibt es immer noch: heute spezialisiert auf Altbausanierung. Wir haben die Geschäftsführerin besucht und dabei viel über das Bauhandwerk vergangener Tage gelernt, das es tatsächlich in sich hatte (S. 22). Wer genug hat von Erkern …

DIE HALBE STRASSE

#95 BULTHAUPTSTRASSE – Die Firma Fuhrken hat einst die halbe Bulthauptstraße gebaut. Heute saniert sie Altbauten – und öffnet für uns ihr Firmenarchiv Wer mit offenen Augen durch Bremen geht, sieht sie manchmal, die blau-gelben Fuhrken-Lkws: „Bauunternehmung“ steht darauf und: Altbausanierung. Die Firma J. H. Fuhrken ist ein Traditi- onsbetrieb, seit dem Jahr 1900 besteht die Firma schon, und die kleine, ein bisschen lustige Pointe: Viele der Gebäude, die die Firma jetzt saniert, hat sie früher einmal selbst gebaut. Zeit also für einen Ortsbesuch: Wir sind verabredet mit Urda Blohm-Sudholz, der Großnichte des Firmengründers. Sie öffnet für uns ihr Archiv. Das Geschäftsgelände der Firma Fuhrken befindet sich seit über 50 Jahren an der Stresemannstraße: ein relativ unscheinbares, weißes Industriegebäude in zweiter Reihe und dahinter eine große Halle, in der Baumaterialien gelagert werden. Im Hausflur hängt eine Luftaufnahme, auch schon ein paar Jahrzehnte alt, die das Gelände von oben zeigt: Auf den ersten Blick hat sich dort bis heute nicht viel verändert. In der Nachbarschaft dafür umso mehr: Rund um das Grundstück be- fanden sich damals …

MEIN BLOCK(LAND)

#92 H.-H.-MEIER-ALLEE – Sie war eine der Ersten: Die 96-jährige Holde S. lebt seit 1964 in Schwachhausens einzigem Hochhaus „Hier war früher nur Blockland“, erinnert sich Holde S., „und hinten im Westen sahen wir in der Ferne die Sonne untergehen. Auch der schöne Baumbestand hier kommt noch aus dieser Zeit. Durch die Feuchtigkeit gedeiht hier alles so gut.“ Ein Hauch Wehmut schwingt noch mit in diesen Sätzen. Sie erzählen von einer Zeit, in der an Neu-Schwachhausen mit seinen mehrstöckigen Gebäuden aus den 1960er-Jahren noch lange nicht zu denken war. Holde S. hat diese Zeit selbst miterlebt und darf mit ihren 96 Jahren wohl als ein Urgestein des Stadtteils bezeichnet werden. In der von Mehrparteienhäusern gesäumten H.-H.-Meier-Allee bewohnt sie eines der prägnantesten Gebäude, vielleicht des ganzen Stadtteils. Sie nennt eine Wohnung mit eineinhalb Zimmern im 15-stöckigen Wohnblock mit der Hausnummer 51 ihr Eigen. Mit der schmucklos grauen Fassade und diesem Verbotsschild auf der anliegenden Grünfläche, das Kindern das Spielen auf dem Rasen verbietet, wirkt das Areal ein bisschen aus der Zeit gefallen. „Damals fuhren auf der …

DIE MACHT DER GEWÖHNUNG

#46 WACHMANNSTRASSE – Nach anfänglichen Protesten akzeptieren die Schwachhauser heute die Unterkunft für Geflüchtete   Am Anfang war die Angst vor den Flüchtlingen groß. Rückblende: Wir schreiben das 2013 und der Bremer Senat sucht händeringend nach Wohnraum. In Schwachhausen wird eine zweite Flüchtlingsunterkunft geplant, über 1.000 Menschen flüchten allein in diesem Jahr nach Bremen. 2016 werden es sogar 3.185 sein. Doch so einfach ist das in Schwachhausen nicht. Die grüne Beiratssprecherin Barbara Schneider erinnert sich, dass einige AnwohnerInnen vorschlugen, neue Flüchtlingsunterkünfte doch lieber in Tenever einzurichten. Weil dort die Nachbarn doch auch Arabisch sprächen. Als im Dezember 2013 die erste Einwohnerversammlung einberufen wird, stellen sich die StadtteilpolitikerInnen schon auf die alten, vorurteilsdurchtränkten Argumente ein. Und die kommen auch: „Es ist oft nur eine Frage von Minuten, bis die ersten Ängste wegen Lärm, Dreck und Kriminalität durch die Flüchtlinge ausgesprochen werden“, sagt Schneider. Die entkräftet sie mit Fakten: Die Bremer Polizei verzeichnet rund um Flüchtlingsunterkünfte keinen Anstieg von Kriminalität. Ebenso wenig käme es vermehrt zu Ruhestörungen. Die Mehrheit der gut 60 AnwohnerInnen scheint diese Sorgen nicht …