Alle Artikel in: Ausgabe

#102 HINDENBURGSTRASSE

EDITORIAL: Das andere Bremen Liebe Leser:innen, aus stadtbremischer Sicht fühlt es sich immer ein bisschen wie ein Ausflug aufs Land an, wenn es einen mal nach Bremen-Nord verschlägt. Den Menschen dort geht es umgekehrt genauso: „Ich fahr in die Stadt“, heißt es, wenn es doch mal nötig ist, sich in Richtung Innenstadt aufzumachen. Es ist schon ein kleiner Kosmos für sich, dieses Bremen-Nord, und sehr viele Anlässe, ihn zu verlassen, fallen einem gar nicht ein, wenn man so in der Lesumer Hindenburgstraße steht. Hier gibt es eigentlich alles: eine Schlachterei, ein Geschäft für gebrauchte Brettspiele (Seite 8), eine Apotheke, Restaurants und – noch – ein stattliches Polizeirevier, dessen Umzug nach Vegesack allerdings beschlossene Sache ist. Das alte Gerichtsgebäude, in dem das Revier seit 1940 untergebracht ist, und die Möglichkeiten seiner Nachnutzung hat sich unser Autor Justus Köhler angesehen (Seite 25). Er stammt übrigens selbst aus Bremen-Nord, weshalb er sich nicht nur aus journalistischem Interesse, sondern auch aus alter Verbundenheit für alles begeistert, was die paar Kilometer weserabwärts an der Lesum so passiert. Und hier passiert …

#101 FLEETSTRASSE

EDITORIAL: Ein Tag im Grünen Liebe Leser:innen, von Katzenjammer kann bei uns in der Redaktion auch am Morgen nach der 100. Ausgabe keine Rede sein. Weil wir aber trotzdem dringend mal an die frische Luft wollten, haben wir uns für dieses 101. Heft in Richtung Stadtrand aufgemacht: ins Waller Fleet nämlich, zu den Kleingärten im Grünen. Mit tatkräftiger Unterstützung unseres Begleitseminars an der Uni Bremen haben wir hier für eine unserer am wenigsten urbanen Ausgaben recherchiert – und dabei eine Menge gelernt. Im Fleetgarten zum Beispiel haben wir Menschen besucht, die hier unter fachkundiger Anleitung nachhaltiges Gärtnern ausprobieren (S. 18). Gleich um die Ecke steht eine Kirche, die heute als Wohnhaus dient (S. 22) – wenngleich als extravagantes. Außerdem haben wir ein waschechtes Kaisenhaus besucht (S. 8), das heute als Museum dient und von der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet. Und zu guter Letzt waren wir auch noch etwas weiter draußen: beim „Metalhenge“ (S. 12), das als Aussichtspunkt und Kunstwerk neue Perspektiven auf die Stadt eröffnet. Wir hoffen, Sie haben beim Lesen mindestens so …

#99 ARSTER HEERSTRASSE

EDITORIAL: 100 METER VOR NIEDERSACHSEN Liebe Leser:innen, es ist schon irgendwie komisch, wie wenig man von Arsten so zu sehen bekommt. Vor allem, weil das gar nicht mal nur für (Innen-)Stadtmenschen gilt, deren Bremen sich auf Zentrum, Viertel, Neustadt und Schwachhausen beschränkt. Nein, auch die zigtausend Pendler:innen aus dem südlichen Umland bekommen von Arsten nicht viel mit, obwohl der Ortsteil an der südlichen Landesgrenze ja so was wie der Eingang zur Stadt sein sollte. Die Arster Heerstraße, mit der wir uns in dieser Ausgabe der Zeitschrift der Straße beschäftigen, sieht auch genau so aus: Immer ländlicher wirkt die lange Erschließungsstraße, bis erste Bauernhöfe am Wegesrand auftauchen – und man schließlich mitten zwischen Korn und Raps im Feld steht. Dort, von Niedersachsen aus betrachtet, wird dann auch schlagartig klar, warum der alte Hauptzugangsweg heute so abgeschieden wirkt, fast wie eine Sackgasse. Denn wo hier einst die Ochtum die Grenze markierte, tut das heute faktisch die Autobahn. Und die alte Heerstraße ist kaum mehr als eine unscheinbare Abzweigung vor der Abfahrt Bremen-Arsten und dem Zubringer, der einen …

#98 BISCHOFSNADEL

EDITORIAL: DIE MIT DEM TUNNEL Liebe Leser:innen, ein bisschen Angst hatten wir vor dieser Ausgabe ja ehrlich gesagt schon. Schon als die Straße in der Redaktionskonferenz zum ersten Mal auf dem Tisch lag, war die Stimmung nicht gerade euphorisch. „Ist das nicht dieser Tunnel unterm Wall?“, meinte die eine Kollegin. „Wie viele Häuser gibt’s da?“, der andere, „vier?“ Und auch wenn es natürlich doch ein paar mehr sind, ist diese Straße anders als viele andere, mit denen wir es bisher zu tun hatten. Die Bischofsnadel ist halb Park, halb Innenstadt. Sie hat diesen sonderbaren Tunnel, der auf seine Art eher Hindernis als Abkürzung zu sein scheint. Und für die allermeisten Bremer:innen ist sie vor allem Durchgangsstation. Tausende Menschen kommen hier durch, kaum einer bleibt da. Und wahrscheinlich ahnen Sie es schon: Gerade weil die Bischofsnadel so sonderbar ist, haben wir ihr diese Ausgabe gewidmet. Hier im Tunnel haben wir die Kunstgalerie „Tunnelblick“ besucht, die von Künstler:innen gegründet wurde, um ihre Arbeiten selbst und ohne profitorientierte Händler:innen verkaufen zu können (Seite 20). Und wo wir schon …

#97 JÜDISCHE GEMEINDE

EDITORIAL: MEHR ALLTAG WAGEN Liebe Leser:innen, Sie haben natürlich recht: Wir haben ein bisschen gemogelt und die jüdische Gemeinde ist in Wirklichkeit gar keine Straße. Dass sie aber ein bisschen so funktioniert, haben wir spätestens bei der Recherche für diese Ausgabe gelernt: Sie ist Lebensraum für eine Gruppe von Menschen, die sie miteinander verbindet. Sie hat ihre Zentren wie etwa die Synagoge, in deren Inneres wir einen neugierigen Blick werfen durften (Seite 14). Sie hat natürlich auch ihre informelleren und alltäglicheren Treffpunkte wie das Bistro Hamitbach, dessen Eigentümerin wir kennengelernt haben (Seite 8). Die Gemeinde hat auch ihre eigenen Verkehrswege und -formen, ihre Regeln, für deren Einhaltung der Rabbiner zuständig ist. Wir wollten wissen, wie so eine „Koscherkontrolle“ abläuft, und haben uns des Nachts mit ihm auf den Weg gemacht (Seite 10). Und natürlich hat auch diese Straße, die keine ist, ihren Anteil an der Stadtgeschichte (Seite 22). Aber klar: Diese Ähnlichkeiten waren nicht der eigentliche Grund dafür, dass wir uns an eine Zeitschrift der Straße über die jüdische Gemeinde gesetzt haben. Es war vielmehr …

#96 KONSUL-SMIDT-STRASSE

EDITORIAL: SZENISCHE EINSTIEGE Liebe Leser:innen, „Es war eine dunkle und stürmische Nacht“, so beginnt der Roman „Paul Clifford“ von Edward Bulwer-Lytton: jenem zweifelhaften englischen Literaten, nach dem gar ein Festival benannt ist. Gekürt werden dort regelmäßig die schlechtesten ersten Sätze von Romanen. Auch Snoopy hat seinen ersten und einzigen Roman mit eben diesem Satz begonnen. Das konnten unsere Autorinnen und Autoren nicht wissen, als sie ihre Texte für diese Ausgabe schrieben, die zum Teil exakt in diesem Setting beginnen: dunkel, windig, Nieselregen. JournalistInnen lieben szenische Einstiege, und das ist auch oft genau richtig so: Denn wir wollen Sie, unsere Leserinnen und Leser, ja mitnehmen zu den Orten, die wir für Sie gesucht und gefunden haben. Wenn es allerdings – wie in der Überseestadt – allzu oft stürmisch ist (und abends natürlich dunkel), dann sagt das schon viel über einen Ort aus. Abweisend wirkt es dort, wenn der Wind durch die Häuserschluchten fegt. Das Quartier ist immer noch im Werden, das haben auch wir frierend erfahren und aufgeschrieben. Wir haben ein Paar besucht, das vom heimeligen …

#95 BULTHAUPTSTRASSE

EDITORIAL: SCHÖNHEIT BESTEHT Liebe Leser:innen, so richtig en vogue ist es ja eigentlich nicht mehr, derartig hemmungslos im Jugendstil zu schwelgen. Man kommt so leicht in den Ruch des Bourgeoisen. Dabei ist der Jugendstil eigentlich eine konsumkritische Reformbewegung gewesen, die sich mit ihren verspielten Dekoren gerade gegen die prekär hergestellte Massenware wandte. Nun war Schönheit noch nie eine billige Angelegenheit, das ist der Haken daran. Aber lassen Sie uns unseren Spaß – und haben Sie selbst welchen, während Sie diese Ausgabe durchblättern. Kommen Sie mit in ein liebevoll saniertes Altbremer Haus und erfahren Sie mehr darüber, was eigentlich Denkmalschutz bedeutet: Nämlich nicht nur Lust, sondern durchaus auch Last (S. 8). Eine der schönsten Pointen der Bremer Baugeschichte ist im Übrigen diese: Die Firma J. H. Fuhrken hat nicht nur der Bulthauptstraße einst ihren Stempel aufgedrückt. Die Firma gibt es immer noch: heute spezialisiert auf Altbausanierung. Wir haben die Geschäftsführerin besucht und dabei viel über das Bauhandwerk vergangener Tage gelernt, das es tatsächlich in sich hatte (S. 22). Wer genug hat von Erkern und Giebeln, dem …

#94 BISMARCKSTRASSE

EDITORIAL: STRASSE IN ARBEIT Liebe Leser:innen, dieses Heft ist eine Premiere, oder um noch kurz in der Sprache des Theaters zu bleiben: eine Wiederaufnahme. Denn zum ersten Mal nach langer Corona-Pause und dem Wechsel unserer Chefredaktion ist diese Ausgabe mal wieder an der Uni Bremen entstanden. Recherchiert und geschrieben haben es Studierende am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung. Wie viel Sie beim Lesen davon merken? Keine Ahnung. Aber wir haben uns so intensiv wie lange nicht mit unseren Produktionsbedingungen auseinandergesetzt, mussten vieles wieder neu erlernen – vermeintliche und echte Selbstverständlichkeit neu aufrollen. Und das kann bekanntlich nie schaden. Tatsächlich eher ein Zufall ist, dass sich auch fast alle unserer Geschichten von der Bismarckstraße ums Arbeiten drehen: im Wortsinn Hand- und Lohnarbeit, aber stets in besonderer Form. Torsten Bauer betreibt etwa eine der letzten Neonglasbläsereien Deutschlands und gehört zu den vielleicht letzten VertreterInnen eines aussterbenden Traditionshandwerks. Ihn haben wir in seiner Werkstatt besucht (Seite 16). Mit dem Blick in die Zukunft waren wir hingegen im „Creative Hub“, wo fast 150 Start-ups gemeinsam ihre ersten Schritte …

#93 Bahnhofsvorplatz

EDITORIAL: Die Ruhe am Brennpunkt Liebe Leser:innen, die Plätze vor Bahnhöfen sind immer geschäftige Orte. Die meisten Menschen dort haben es eilig: Schnell noch den Zug erwischen, hastig zur Straßenbahn laufen, noch einmal an der Zigarette ziehen und einen Kaffee „to go“ kaufen, bei dem nur der schwere Milchschaum verhindert, dass er in der Eile überschwappt. Alles ist immer in Bewegung. Oder? So ganz stimmt das nicht. Denn Plätze vor Bahnhöfen sind immer auch Orte, wo jene sesshaft werden, die es sonst nirgendwo mehr sind. Sie bitt en um eine kleine Spende, sie trinken ihr Bier, sie schlafen, sie streiten sich. Wer sich in diesen Tagen länger dort aufhält, merkt: Das Klima am Bremer Bahnhofsvorplatz ist rauer geworden. Der Ordnungsdienst patrouilliert, die Polizei ist mit einem Mannschaftswagen vor Ort, videoüberwacht ist der Platz ohnehin. Vielleicht haben wir deshalb ausgerechnet hier nach Orten der Ruhe gesucht – von denen es überraschenderweise einige gibt. Da wäre zum Beispiel das Übersee-Museum, das sein Schaumagazin im Großkino nebenan präsentiert. Hier sind nicht nur Dinge versammelt, die in der Ausstellung …

#92 H.-H.-Meier-Allee

EDITORIAL: Der Stadtrand von Einst Liebe Leser:innen, dafür, dass die H.-H.-Meier-Allee gewissermaßen eine Sackgasse ist, kommen doch ganz schön viele Menschen durch – wenn auch nicht unbedingt mit dem Auto. Wo die ehemalige Erschließungsstraße Neu-Schwachhausens im Norden endet, fahren die Straßenbahnen nämlich weiter ins Grüne und bringen vor allem Studierende aus Zentrum und Neustadt an die Uni. 7.000 Fahrräder pro Tag kommen noch dazu. Und daher kennt man die Straße in Bremen wohl auch in erster Linie: vom Durchfahren. Für diese Ausgabe haben wir aber doch mal angehalten und zum Beispiel eine jahrzehntelange Bewohnerin des so markanten wie sonderbar deplatzierten Hochhauses besucht (Seite 26). Gleich um die Ecke trafen wir Christos in seinem Restaurant Akropolis und haben uns seine Geschichte erzählen lassen (Seite 8). Und weil die kulinarische Bandbreite der Straße bei Ouzo und Bifteki längst nicht aufhört, haben wir Kamera und Notizblock dann auch gleich noch ins Café Knigge ausgeführt und zwischen den Stammgästen ungefähr die halbe Stadt getroffen (Seite 14). Und das ist es wohl tatsächlich, was diese Straße ausmacht: eine soziale Durchmischung, …